Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. anteilige Kürzung des Sozialgeldes für die Aufenthaltstage beim getrennt lebenden umgangsberechtigten Elternteil. Zugehörigkeit zu zwei temporären Bedarfsgemeinschaften. Begrenzung der Regelleistung auf insgesamt 30 Tage pro Monat. erhöhter Bedarf infolge des regelmäßigen Aufenthalts in zwei Haushalten. Mehrbedarf wegen eines unabweisbaren laufenden besonderen Bedarfs. Ermittlung der Bedarfsanteile
Orientierungssatz
1. Bei temporären Bedarfsgemeinschaften besteht ein Regelbedarf - und damit ein Anspruch auf Sozialgeld - in der jeweiligen Bedarfsgemeinschaft anteilig nur für die Tage, an denen sich das minderjährige Kind tatsächlich mindestens 12 Stunden im Haushalt des hilfebedürftigen Elternteils aufhält. Auch bei regelmäßigen Aufenthalten in zwei Bedarfsgemeinschaften stehen monatlich insgesamt Ansprüche auf Regelleistungen nur für 30 Tage zu (vgl hierzu BSG vom 12.6.2013 - B 14 AS 50/12 R = SozR 4-4200 § 7 Nr 35 sowie vom 14.12.2021 - B 14 AS 73/20 R - zur Veröffentlichung vorgesehen).
2. Für den Ausgleich von erhöhten Bedarfen bzw im Wortsinne Mehrbedarfen, die durch den regelmäßigen Aufenthalt in zwei Bedarfsgemeinschaften entstehen, bietet die Prüfung von rechtlich beachtlichen Mehrbedarfen gemäß § 21 Abs 6 SGB 2 passgenauere Lösungen.
3. Zur Ermittlung der Bedarfsanteile, die durch die einmalige Gewährung einer Regelleistung auch bei regelhaften Aufenthalt in zwei Bedarfsgemeinschaft nicht hinreichend abgedeckt werden, und zur Ermittlung des Umfangs des daraus resultierenden Mehrbedarfs.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 26. Oktober 2018 abgeändert.
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 7. April 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2016 verurteilt, den Klägern für die Zeit vom 1. April bis 30. Juni 2016 Leistungen unter Berücksichtigung von Mehrbedarfen der Klägerin zu 2) und des Klägers zu 3) nach § 21 Abs. 6 SGB II in Höhe der tagesanteiligen Beträge der Abteilungen 3 (Bekleidung und Schuhe), 4 (Energie und Wohnungsinstandhaltung), 5 (Innenausstattung, Haushaltsgeräte und -gegenstände, laufende Haushaltsführung) und 8 (Post und Telekommunikation) gemäß § 6 Abs.1 Nr.2 Regelbedarfsermittlungsgesetz für die Tage, an denen sie sich nicht im Haushalt der Klägerin zu 1) aufgehalten haben, zu gewähren.
Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Der Beklagte erstattet ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Leistungsansprüche der Kläger auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II) im Zeitraum vom April 2016 bis Juni 2016. Strittig ist dabei insbesondere der Anspruch der Klägerin zu 2 und des Klägers zu 3 an Tagen, an denen sie sich nicht im gemeinsamen Haushalt mit der Klägerin zu 1 aufhalten.
Die Kläger bezogen im streitgegenständlichen Zeitraum von dem Beklagten Leistungen nach dem SGB II und waren grundsicherungsrechtlich hilfebedürftig. Sie konnten ihren Lebensunterhalt nicht ausreichend aus Einkommen und Vermögen decken und haben die erforderliche Hilfe auch nicht von anderen erhalten. Die Klägerin zu 1 ist die Mutter der 2004 geborenen Klägerin zu 2 sowie des 2007 geborenen Klägers zu 3. Von dem Vater der Kinder, der ebenfalls Grundsicherungs-leistungen nach dem SGB II von dem Beklagten bezieht, lebt die Klägerin zu 1 getrennt. Die Klägerin zu 2 und der Kläger zu 3 haben sich im streitgegenständlichen Zeitraum abwechselnd in den Haushalten ihrer Mutter und ihres Vaters aufgehalten. Dabei haben sie sich überwiegend im Haushalt der Klägerin zu 1 aufgehalten, aber jeweils mehrere Tage in der Woche im Haushalt ihres Vaters verbracht. Der Wechsel erfolgte dabei oft so, dass die Kinder nach der Schule zu dem jeweils anderen Elternteil gegangen sind.
Mit Bescheid vom 7. April 2016 bewilligte der Beklagte den Klägern vorläufig auf deren Antrag Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes für die Zeit vom 1. April 2016 bis 31. Juli 2016. Den Bedarf der Klägerin zu 2 und des Klägers zu 3 ermittelte er dabei taggenau und gewährte den Klägern zu 2 und 3 nur für die Tage des Aufenthaltes im Haushalt der Klägerin zu 1 Leistungen. Dabei ermittelte der Beklagte den monatlichen Bedarf der Klägerin zu 2 und des Klägers zu 3 sowohl hinsichtlich des Regelbedarfs, der Unterkunftskosten und eines Mehrbedarfs wegen dezentraler Warmwassererzeugung, teilte diese Bedarfe jeweils durch 30 und legte der weiteren Berechnung die ermittelten Bedarfe nur in dem Umfang der Tage zu Grunde, in denen sich die Klägerin zu 2 und der Kläger zu 3 in der Wohnung der Klägerin zu 1 aufgehalten haben. Hinsichtlich der Unterkunftskosten nahm der Beklagte aber einen entsprechend höheren Bedarf der Klägerin zu 1 an den Tagen an, in denen sich di...