Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Krankenhausvergütung. Prüfung durch den MDK. Benennung der beanstandeten Nebendiagnose im Prüfauftrag. Nachkodierung einer Nebendiagnose nach Abschluss der MDK-Prüfung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Regelung in § 4 S 2 PrüfvV 2016 (juris: PrüfvVbg) erfordert, dass die Krankenkasse in den Prüfauftrag konkret die von dem Krankenhaus abgerechnete Nebendiagnose aufnimmt, die sie beanstandet und zur Prüfung durch den MDK stellt.

2. Ein Krankenhaus kann folglich eine bisher nicht abgerechnete Nebendiagnose auch dann nachkodieren, wenn der MDK die Abrechnung auf von der Krankenkasse konkret beanstandete (aber andere) Nebendiagnosen hin überprüft hat.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Kiel vom 4. Januar 2021 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.914 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe eines Anspruchs auf Vergütung für eine stationäre Krankenbehandlung.

Die Klägerin ist Trägerin des zur Erbringung von Krankenhausleistungen in N... zugelassenen Krankenhauses. Die Klägerin nahm die 1928 geborene und bei der Beklagten versicherte M... R... (Versicherte) mit Übelkeit und Oberbauchbeschwerden bei Cholestase (Gallenstauung) am 30. Juni 2018 stationär in ihrer Klinik für Gastroenterologie auf. Die Versicherte wurde medikamentös behandelt und in den Gallengang wurde eine Prothese eingelegt. Nach einem Sturz der Versicherten aus dem Bett am 11. Juli 2018 wurde eine gering dislozierte Fraktur des vorderen Schambeinastes diagnostiziert, die nach insuffizienter medikamentöser Behandlung zu einer Verlegung der Versicherten am 18. Juli 2018 in die Klinik für Geriatrie der Klägerin führte, aus der sie am 23. Juli 2018 entlassen wurde. Für diese Behandlung der Versicherten vom 30. Juni 2018 bis zum 23. Juli 2018 berechnete die Klägerin der Beklagten 6.276,69 Euro (Rechnung vom 22. Oktober 2018). Sie kodierte (jeweils nach ICD-10) gegenüber der Beklagten als Hauptdiagnose K83.1 (Verschluss des Gallenganges) und als Nebendiagnose ua S32.5 (Fraktur des Schambeins), die zur Ansteuerung der DRG H41C führte.

Die Beklagte beglich die Rechnung zunächst, informierte aber am 23. November 2018 die Klägerin über die Beauftragung des MDK mit der Prüfung des Behandlungsfalles zur Klärung der Fragestellung „Dauer der stationären Behandlung“, „Kodierung“, „HD“, „ND“. Die Beklagte stellte dem MDK explizit die Fragen:

„04 War die Überschreitung der oberen Grenzverweildauer medizinisch begründet?

Erläuterung Frage: Bei den kodierten Prozeduren und Diagnosen hätte nach unserer Meinung eine Straffung des Behandlungsablaufs erfolgen können. Dadurch wäre eine frühere Entlassung möglich gewesen.

11 Ist die Hauptdiagnose (HD) korrekt?

Erläuterung Frage: Wurde die Hauptdiagnose gem. DKR korrekt abgebildet?

12 Ist/Sind die Nebendiagnose(n) (ND) korrekt?

Erläuterung Frage: Die übermittelten DRG-relevanten ND sind für uns anhand der Patientenhistorie nicht in vollem Umfang nachvollziehbar. Die Streichung bzw Änderung der relevanten ND ändert die DRG. Sind die angegebenen ND nach den Richtlinien der DKR korrekt kodiert? - insbesondere zu prüfende ICD-Schlüssel: K83.1, S32.5“

Der MDK kam im Rahmen einer Begehung zu der Einschätzung, dass als Hauptdiagnose die D37.6 (Neubildung unsicheren oder unbekannten Verhaltens: Leber, Gallenblase und Gallengänge) und die K83.1 (Verschluss des Gallenganges) als Nebendiagnose zu kodieren seien (Gutachten vom 18. März 2019). Die Kodierung der Nebendiagnose S32.5 (Fraktur des Schambeins) sei korrekt. Ferner wurden - nach Beschreibung in Abstimmung mit der Klägerin - die Nebendiagnosen S73.00 (Luxation der Hüfte, nicht näher bezeichnet), S32.4 (Fraktur des Acetabulums - Hüftgelenkpfanne), S31.84 (Weichteilschaden I. Grades bei geschlossener Fraktur oder Luxation der Lendenwirbelsäule und des Beckens) einbezogen. Die übrigen von der Klägerin kodierten Nebendiagnosen und die Prozeduren wurden „laut Auftrag nicht geprüft“. Der MDK bestätigte das Grouping-Ergebnis H41C, allerdings mit einem Kostengewicht von 1,6120. Die Versicherte hätte nach der Dokumentation bereits drei Tage früher in die weiterbehandelnde Klinik verlegt werden können, so dass die stationäre Verweildauer um drei Tage zu kürzen sei (sekundäre Fehlbelegung). Die Beklagte machte daraufhin gegenüber der Klägerin einen Erstattungsanspruch für drei Tage in Höhe von 553,09 Euro geltend.

Die Klägerin widersprach der Bewertung des MDK betreffend die Hauptdiagnose, deren Änderung zwar nicht DRG-relevant, aber dennoch fehlerhaft sei. Sie kodierte jedoch erstmals die Diagnosen E87.6 (Hypokaliämie), D68.5 (primäre Thrombophilie) und T84.04 (Mechanische Komplikation durch eine Gelenkendoprothese - Hüftgelenk) als Nebendiagnosen nach und übersandte der Beklagten anschließend die entsprechend geänderte Rechnung vom 30. April 2019 iHv 11.638,13 Eur...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge