Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Hilfe zur Pflege. Tod des Leistungsberechtigten. Anspruchsübergang nach § 19 Abs 6 SGB 12. Leistungen für Einrichtungen. Pflege in einer Wohngemeinschaft. Nichtanwendbarkeit auf ambulante Pflegedienste. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Ein ambulanter Pflegedienst tritt nicht nach § 19 Abs 6 SGB 12 als Rechtsnachfolger in die Rechte eines verstorbenen Pflegebedürftigen ein (vgl BSG vom 13.7.2010 - B 8 SO 13/09 R = BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2 folgend).
2. Es liegt hierin kein Verstoß gegen Art 3 Abs 1 GG.
3. Auch wenn der Hilfebedürftige in einer Wohngemeinschaft mit anderen Behinderten gepflegt wurde, handelt es sich nicht um Leistungen für Einrichtungen iS des § 19 Abs 6 SGB 12.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 13. April 2011 wird zurückgewiesen.
Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Höhe der seitens des Beklagten zu gewährenden Hilfe zur Pflege für den mittlerweile verstorbenen U... T....
Bei der Klägerin handelt es sich um einen ambulanten Pflegedienst. Sie hat den am 28. Februar 1953 geborenen Hilfebedürftigen U... T... (im Folgenden: der Hilfebedürftige) seit Februar 2005 bis zu seinem Tod am 18. Juli 2006 gepflegt. Der Hilfebedürftige war nach einem Hinterwandinfarkt im Jahr 2004 schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 100. Er erhielt die Pflegestufe III. Er war in fast allen Hilfebereichen auf eine vollständige Übernahme der Verrichtungen durch eine Pflegeperson angewiesen. Er wohnte in der Wohngemeinschaft K..., wobei er mit dem Vermieter im Februar 2005 einen eigenen Mietvertrag abgeschlossen hatte. Mit der Klägerin schloss er am 23. Juni 2005 rückwirkend zum 2. Februar 2005 einen Pflegevertrag, der in § 2 vorsah, dass die Leistungen der Klägerin im Haushalt des Hilfebedürftigen erbracht würden. Gemäß § 5 des Vertrages sollte der Vertrag während eines vorübergehenden Aufenthaltes des Hilfebedürftigen in einer stationären Einrichtung ruhen und durch eine dauernde Aufnahme in ein Alten- oder Pflegeheim enden, ohne dass es einer Kündigung bedürfe.
Am 28. April 2005 stellte der Hilfebedürftige beim Beklagten einen Antrag auf Übernahme der ungedeckten Pflegekosten. Mit Bescheid vom 17. Juni 2005 lehnte der Beklagte die Leistungen für den Zeitraum vom 1. Februar bis zum 27. April 2005 mit der Begründung ab, dass er erst am 28. April 2005 erstmals Kenntnis von der Hilfebedürftigkeit des Herrn T... erhalten habe. Für die Monate April 2005 bis Februar 2006 gewährte der Beklagte dem Hilfebedürftigen Leistungen der Hilfe zur Pflege, jedoch in geringerer als der beantragten Höhe. Der Beklagte berief sich hinsichtlich der Kürzung der Leistungen auf das Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK), das in einigen Bereichen eine etwas geringere Pflegebedürftigkeit vorsah als von der Klägerin jeweils abgerechnet wurde.
Der Hilfebedürftige legte gegen diese Bescheide im Hinblick auf den aus seiner Sicht ordnungsgemäß abgerechneten Pflegeumfang jeweils Widersprüche ein. Der Beklagte wies alle Widersprüche unter Bezugnahme auf das Gutachten des MDK als unbegründet zurück.
Der Hilfebedürftige hat hiergegen jeweils Klage erhoben und zwar hinsichtlich des Zeitraums Februar bis Juni 2005 und August 2005 zum ursprünglichen Aktenzeichen S 10 SO 123/06 und hinsichtlich der Zeiträume Juli 2005 und September 2005 bis Februar 2006 zum ursprünglichen Aktenzeichen S 12 SO 261/06. Das Sozialgericht Schleswig hat diese Klagen durch Beschluss vom 17. Februar 2009 zum Aktenzeichen S 11 SO 261/06 verbunden. Der Hilfebedürftige hat zur Begründung geltend gemacht, der Beklagte habe lediglich 4.804,36 EUR statt beantragter 15.145,39 EUR bzw. lediglich 8.454,87 EUR statt beantragter 20.299,86 EUR geleistet. Allein das MDK-Gutachten habe es nicht vermocht, den konkreten und angemessenen Pflegebedarf ausreichend darzustellen.
Nachdem der Hilfebedürftige verstorben war, hat die Klägerin den Rechtsstreit durch Schriftsatz vom 1. Dezember 2010 aufgenommen. Sie beruft sich darauf, dass auch ein Pflegedienst unter die Vorschrift des § 19 Abs. 6 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII), falle. Soweit das Bundessozialgericht (BSG) in seiner Entscheidung vom 13. Juli 2010 (Az.: B 8 SO 13/09 R) diese Frage anders entschieden habe, begegne diese Entscheidung erheblichen verfassungsrechtlichen Bedenken, denn sie verstoße gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Zur weiteren Begründung hat die Klägerin auf einen Aufsatz von Dr. Groß zur zitierten BSG-Entscheidung in der Fachzeitschrift “Häusliche Pflege„ 11/2010 Seite 36 ff. verwiesen. In diesem Aufsatz weise der Verfasser zutreffend darauf hin, dass die Differenzierungskriterien, die nach Ansicht des BSG eine unterschiedliche Behandlung von stationären bzw. teilstationären Einrichtungen einerseits und ambulanten Pfleged...