Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Beiträgen zur Arbeitslosenversicherung. Verjährung
Leitsatz (amtlich)
1. Es ist ermessensfehlerfrei, wenn die Bundesagentur gegenüber verjährten Ansprüchen auf Erstattung zu Unrecht geleisteter Beiträge zur Arbeitslosenversicherung die Einrede der Verjährung erhebt, sofern nicht fehlerhaftes Verwaltungshandeln vorlag.
2. Einem Anspruch auf Erstattung zu Unrecht entrichteter Beiträge kann die Einrede der Verjährung auch dann entgegengehalten werden, wenn eine zuvor durchgeführte Arbeitgeberprüfung nicht zu Beanstandungen geführt hat (Anschluss an BSG vom 29.7.2003 - B 12 AL 1/02 R = SozR 4-2400 § 27 Nr 1). Dies gilt auch im Falle von Kleinbetrieben mit bis zu 5 Mitarbeitern.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 15.375,72 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Beiträgen.
Die Klägerin ist Inhaberin eines Druckstudios in L... Der Betrieb wurde 1988 mit zwei festangestellten Arbeitnehmern gegründet. Bis 2004 waren in der Regel zwischen drei und fünf Arbeitnehmer beschäftigt; seither hat sich deren Zahl reduziert. Der Ehemann der Klägerin, der 1961 geborenen Herr
A... M... (M.), ist seit 1988 als Geschäftsführer in dem Unternehmen tätig. Für ihn wurden seit dem 4. Juni 1988 Beiträge zur Arbeitslosenversicherung entrichtet.
Mit Schreiben an die Aa... Schleswig-Holstein als Einzugsstelle vom 20. September 2005 beantragte der Steuerberater der Klägerin die Überprüfung der Versicherungspflicht von M. und fügte einen Feststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung bei. Daraus ergab sich, dass der Betrieb auf den Namen der Klägerin eröffnet worden war, weil es M. aufgrund eines fehlenden Meisterbriefs nach den seinerzeit geltenden Rechtsvorschriften nicht möglich gewesen sei, selbst als Firmengründer aufzutreten. Die Initiative zur Firmengründung sei aber aufgrund entsprechender Vorbildung und Fachkenntnisse von M. ausgegangen. Nach Überprüfung stellte die Aa... mit Bescheid vom 11. Juli 2006 die Versicherungsfreiheit von M. fest; der Bescheid ist nicht angefochten worden.
Am 17. Juli 2006 gingen bei der Aa... Anträge der Klägerin auf Erstattung zu Unrecht gezahlter Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung für die Zeit ab 4. Juni 1988 ein. In dem Erstattungsantrag gab die Klägerin an, dass am 18. August 2003 eine Prüfung der damaligen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) - betreffend den Prüfzeitraum 1. Januar 1999 bis 30. Juni 2003 - stattgefunden habe; Unterlagen hierüber sind bei der heutigen Deutschen Rentenversicherung Bund nicht mehr vorhanden.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2006 leitete die Aa... die Erstattungsanträge in Bezug auf Beiträge zur Arbeitslosenversicherung zuständigkeitshalber an die Beklagte weiter. Mit Bescheiden vom 6. September 2006 - gerichtet wegen der Arbeitgeberbeiträge an die Klägerin und wegen der Arbeitnehmerbeiträge an M. - teilte die Beklagte mit, dass dem Erstattungsantrag jeweils für die Zeit vom 1. Dezember 2000 bis 30. Juni 2006 entsprochen werde (Erstattungsbetrag jeweils 10.681,97 EUR). Nachdem die Aa... mitgeteilt habe, dass durch ihr Verschulden über den 2005 gestellten Überprüfungsantrag erst am 11. Juli 2006 abschließend entschieden worden sei, werte die Beklagte den Erstattungsantrag als im Jahre 2005 eingegangen. Für die Zeit vom 4. Juni 1988 bis 30. November 2000 sei der Erstattungsanspruch verjährt.
Hiergegen erhoben M. am 11. September 2006 und die Klägerin am 13. September 2006 Widerspruch. Sie machten geltend, dass es sich bei dem Betrieb um einen Kleinbetrieb handele, bei dem es aufgrund der geringen Mitarbeiterzahl ohne Weiteres möglich gewesen wäre, bereits bei der Anmeldung - spätestens jedoch bei der ersten Betriebsprüfung - die Versicherungsfreiheit von M. zu erkennen. Angesichts dessen dürfe die Beklagte sich nicht auf Verjährung berufen. Die Widersprüche wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheiden vom 2. November 2006 als unbegründet zurück. Sie führte aus: Gemäß § 26 Abs. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) seien zu Unrecht entrichtete Beiträge grundsätzlich zu erstatten. Der Erstattungsanspruch verjähre jedoch in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Beiträge entrichtet worden seien (§ 27 Abs. 2 Satz 1 SGB IV). Sie - die Beklagte - dürfe sich hierauf berufen, also die Einrede der Verjährung geltend machen. Die Einrede sei auch nicht rechtsmissbräuchlich. Dies wäre nur der Fall, wenn die Beitragszahlung deshalb zu Unrecht erfolgt sei, weil sie auf einem fehlerhaften Verwaltungshandeln ihrer Behörde, der Einzugsstelle oder eines Trägers der Rentenversicherung beruhe. Keine dieser Stellen habe sich hier fehlerhaft verhalten. Insbesondere sei kein fehlerhaftes Verwaltungshandeln da...