Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Ruhen. Pflegegeld. stationäre Unterbringung in Internat für Körperbehinderte. Verfassungsmäßigkeit
Orientierungssatz
1. Der Anspruch eines Pflegebedürftigen auf Pflegegeld ruht gemäß § 34 Abs 2 S 1 SGB 11 für die Dauer seines stationären Aufenthalts in einem Internat für Körperbehinderte.
2. Die Ruhensvorschrift des § 34 Abs 2 S 1 idF vom 14.6.1996 verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 und Art 20 Abs 1 GG.
Nachgehend
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch des Klägers auf Pflegegeld während der Zeit seines Aufenthaltes in einem Internat ruht.
Der 1988 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an einer Cerebralparese mit Ataxie. Seit dem 31. August 1994 ist er in dem Internat für Körperbehinderte des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in R - einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe - untergebracht; an Wochenenden und in den Schulferien lebt er bei seinen Eltern.
Seit dem 1. Januar 1991 erhielt der Kläger Leistungen wegen Schwerpflegebedürftigkeit nach den Bestimmungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V); zu Beginn des internatsmäßigen Aufenthaltes betrug das Pflegegeld 400,-- DM monatlich.
Mit Bescheid vom 28. Februar 1995 - gerichtet an die Mutter des Klägers - teilte die Beklagte mit, daß ab dem 1. April 1995 - nach Inkrafttreten des Elften Buches Sozialgesetzbuch (SBG XI) - Pflegegeld nach der Pflegestufe II in Höhe von 800, - DM monatlich geleistet werde.
Auf Antrag des Kreises S, der für den Kläger Eingliederungshilfe für Behinderte in vollstationären Einrichtungen nach den Bestimmungen des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG) gewährt, leistet die Beklagte seit dem 1. Juli 1996 - nach Inkrafttreten des 1. Änderungsgesetzes zum SGB XI - einen Pauschalbetrag von 500,-- DM gemäß § 43 a SGB XI. Der Betrag wird aufgrund eines von dem Kreis geltend gemachten Erstattungsanspruches an diesen ausgezahlt.
Mit Bescheid vom 26. Juni 1996 - wiederum gerichtet an die Mutter des Klägers - hob die Beklagte den Bescheid vom 28. Februar 1995 gemäß § 48 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch (SBG X) auf und führte aus, daß aufgrund der gesetzlichen Änderungen des SGB XI ab dem 1. Juli 1996 der Anspruch auf Leistungen bei häuslicher Pflege für die Dauer des stationären Aufenthaltes in einer Einrichtung, in der die berufliche oder soziale Eingliederung, die schulische Ausbildung oder die Erziehung Behinderter im Vordergrund des Zwecks der Einrichtung stehe, ruhe (§ 34 Abs. 2 i.V.m. § 71 Abs. 4 SGB XI). Ab dem 1. Juli 1996 könne für den Kläger nur noch ein anteiliges Pflegegeld für die Tage, an denen er zu Hause gepflegt werde, gezahlt werden. Der sich hiernach ergebende Pflegegeldbetrag dürfe jedoch den sich in analoger Anwendung des § 38 SGB XI (Kombinationsleistung von Pflegesachleistung und Pflegegeld) ergebenden monatlichen anteiligen Pflegegeldbetrag nicht übersteigen. Dabei werde der an die Einrichtung bzw. an den Kreis S zu zahlende Pauschalbetrag von 500,-- DM als Sachleistung gewertet. Wenn der Kläger z. B. an insgesamt 8 Tagen im Monat im häuslichen Bereich gepflegt werde, betrage das Pflegegeld 213,33 DM (800,00 DM x 8 : 30). Die anzurechnende Sachleistung (Pauschalbetrag) betrage 500,00 DM (28 v.H. von 1800,00 DM); der Höchstgeldleistungsanteil betrage 576,00 DM (72 v.H. von 800,00 DM). Sei der Kläger - etwa in Ferienzeiten - an allen Tagen eines Monats zu Hause, so werde der Höchstgeldleistungsanteil von 576,00 DM gewährt.
Am 18. Juli 1996 legte die Mutter des Klägers gegen den Bescheid vom 26. Juni 1996 Widerspruch ein. Zur Begründung machte sie geltend: Sofern es sich - was noch ungeklärt sei - bei dem von ihrem Sohn besuchten Internat um eine Einrichtung im Sinne von § 43 a SGB XI handele, sei nicht zu beanstanden, daß die Beklagte sich pauschal an den Kosten der Unterbringung mit 500,00 DM monatlich beteilige. Dies führe jedoch nicht zu einer Beschränkung des Pflegegeldanspruches. Aus dem Wortlaut des § 34 Abs. 2 SGB XI ergebe sich ein Ruhen des Anspruches nur für die Zeit der Unterbringung. Umgekehrt bedeute dies, daß der Anspruch wiederauflebe in den Zeiten häuslicher Pflege. Wenn - etwa in den Ferien - in einem Monat gar keine internatsmäßige Unterbringung erfolge, müsse die Beklagte - anders als in dem im Bescheid beschriebenen Beispiel - das volle Pflegegeld leisten. Die von der Beklagten vorgesehene Anwendung von § 38 SGB XI sei in diesem Zusammenhang falsch, weil die Pauschalzahlung von 500,00 DM keine Pflegesachleistung sei. Im übrigen sei § 34 Abs. 2 SGB XI insoweit verfassungswidrig, als die Vorschrift Pflegebedürftige, die stationär untergebracht seien, hinsichtlich ihres Anspruches auf Pflegegeld gegenüber denjenigen Pflegebedürftigen benachteilige, die sich nicht in einer solchen Einrichtung aufhielten. Die Pflegeversicherten, die sich in einer schulischen Betreuung im Sinne von § 71 Abs. 4 SGB XI befänden, würden nicht unter die vollstationäre Pflege fallen, was der Gesetz...