Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziales Entschädigungsrecht. Soldatenversorgung. Wehrdienstbeschädigung. ärztliche Behandlung. wehrdiensteigentümliche Verhältnisse. truppenärztliche Versorgung. Einschränkung der freien Arztwahl. medizinischer Notfall. Erstversorgung und Notfallbehandlung in einem zivilen Krankenhaus. Schädigung des werdendes Kindes beim Geburtsvorgang. keine Anwendung des § 81f SVG bei fehlendem eigenem Schaden der Mutter
Orientierungssatz
1. Eine Wehrdienstbeschädigung durch ärztliche Behandlung im Rahmen der truppenärztlichen Versorgung liegt dann nicht vor, wenn sich die Soldatin (hier aufgrund einsetzender Wehen) notfallmäßig in einem zivilen Krankenhaus vorstellt und es im Anschluss zu Schäden durch die Behandlung kommt.
2. Eine Anwendung von § 81f SVG scheidet aus, wenn nicht die Soldatin, sondern allein ihr werdendes Kind (hier beim Geburtsvorgang) geschädigt worden ist.
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozial-gerichts Schleswig vom 2. Juni 2016 wird zurückgewiesen.
Die Berufung des Beigeladenen wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind von dem Beklagten auch für die Berufungsinstanz nicht zu erstatten.
Außergerichtliche Kosten des Klägers sind von dem Beigeladenen in der Berufungsinstanz nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Anerkennung einer Hirnschädigung des Klägers als Folge einer WDB (WDB).
Kläger ist das 2007 geborene Kind J…. Seine Mutter (geboren 1983) war vom 1. April 2006 bis zum 31. März 2010 Soldatin auf Zeit, zuletzt in der Sanitätsstaffel S…. Während der Dienstzeit ist sie schwanger geworden. Die ambulante Schwangerschaftsbetreuung wurde nicht durch die Stabsärzte der Bundeswehr, sondern auf Kosten der Bundeswehr durch den niedergelassenen Gynäkologen Dr. G… in H…durchgeführt; eine truppenärztliche Weisung, die weitere Betreuung und Behandlung durch einen bestimmten Arzt durchführen zu lassen, liegt nicht vor.
Im Zeitraum vom 29. Juli 2007 bis 9. August 2007 ist die Mutter des Klägers im Klinikum N…, Klinik H… wegen Ziehen im Unterbauch behandelt worden. Die Klinik verließ die Mutter des Klägers gegen ärztlichen Rat.
Am 12. August 2007 stellte sich die Mutter des Klägers im Klinikum H… wegen vorzeitiger Wehentätigkeit vor. Von dort wurde sie am gleichen Tag in das W… verlegt. Dort wurde sie bis zum 1. September 2007 behandelt und nach Absetzen der Tokolyse stabil bei leichter Belastung entlassen.
Am 4. September 2007 stellte sich die Mutter des Klägers im Klinikum H… erneut wegen vorzeitiger Wehentätigkeit vor und wurde von dort in das W… unter Tokolyse verlegt. Diese Tokolyse wurde bis zum Abend des 14. September 2007 fortgesetzt und dann abgesetzt. Am 14. September 2007 kam es zu der Geburt des Klägers per Sectio in der 31+0 SSW, APGAR 4/7/8. Postpartal entwickelte er eine Hirnblutung I°. Der Kläger leidet seitdem unter Entwicklungsverzögerungen und cerebralen Anfällen.
Mit Antrag vom 22. Dezember 2010 beantragte der Kläger vertreten durch seine Eltern die Anerkennung seiner Hirnschädigung als Wehrdienstbeschädigung (WDB) und Gewährung einer Beschädigtenversorgung im Sinne des § 81f. Soldatenversorgungsgesetz (SVG) i.V.m. dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Zur Begründung trug der Kläger vor, dass das Absetzen der Tokolyse am 13. September 2007 nicht gerechtfertigt gewesen sei und bei korrekter Behandlung die Geburtsbestrebungen noch hätten aufgehalten werden könne. Darüber hinaus sei die Indikation zur Sectio am Abend des 13. September 2007 zu spät gestellt worden, sodass es zu massiven Manipulationen im Zusammenhang mit dem Zurückschieben des kindlichen Kopfes zur Sectio-Entwicklung und zu einer protrahierten Entwicklung gekommen sei.
Der Beklagte holte umfangreiche Unterlagen zur Krankheitsgeschichte des Klägers und seiner Mutter ein und beauftragte die Oberärztin Frau C… vom UKSH Kiel, Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, mit der Erstellung eines Sachverständigengutachtens, welches am 13. Januar 2012 bei dem Landesamt für soziale Dienste in H… einging. Die Sachverständige kam darin zu dem Ergebnis, dass sowohl durch starken Druck auf das kindliche Köpfchen bei Wehentätigkeit, als auch durch die erschwerte Kindsentwicklung Verletzungen auftreten könnten, die letztendlich zur Hirnblutung führten. Prinzipiell gelte, dass die Hämatome nicht zwangsläufig auf intrakranielle Blutungsereignisse schließen ließen, so dass auch dadurch keine Zuordnung möglich werde. Beide Optionen müssten bei gegebener Frühgeburt auch als schicksalhaft gewertet werden.
Mit Bescheid vom 10. April 2012 lehnte der Beklagte den klägerischen Antrag ab. Eine gesundheitliche Schädigung der Mutter im Sinne der §§ 81a bis 81e SVG liege nicht vor. Weil weder ein...