Entscheidungsstichwort (Thema)
Verlängerung der Rahmenfrist für das Arbeitslosengeld um Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes
Orientierungssatz
1. Für die Gewährung von Arbeitslosengeld ist u. a. Voraussetzung, dass der Versicherte innerhalb der maßgeblichen Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungsverhältnis gestanden hat.
2. Nach der Fiktion des § 7 Abs. 3 S. 1 SGB 4 gilt eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt als fortbestehend, solange das Beschäftigungsverhältnis ohne Anspruch auf Arbeitsentgelt fortdauert, jedoch nicht länger als einen Monat. Beim Bezug von Mutterschaftsgeld, Erziehungsgeld, Elterngeld oder bei der Inanspruchnahme von Elternzeit gilt das Beschäftigungsverhältnis als nicht fortbestehend.
3. Die Kindererziehung begründet Versicherungspflicht nur für die Personen, die unmittelbar vor der Kindererziehung versicherungspflichtig waren oder eine laufende Entgeltersatzleistung nach dem SGB 3 bezogen haben. Bei einer Unterbrechungszeit von mehr als einem Monat ist das Merkmal der Unmittelbarkeit i. S. von § 26 Abs. 2 a SGB 3 nicht mehr erfüllt.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 16. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg) ab 11. August 2005.
Die …1967 geborene verheiratete Klägerin hat zwei Kinder (C., geboren …1998, und J., geboren … 2002). Seit 1987 war sie als Versicherungsangestellte bei der A. Versicherungs-Aktiengesellschaft in H. beschäftigt. Vom 18. November 1998 bis 24. Februar 1999 befand sie sich im Mutterschutz und vom 25. Februar 1999 bis 10. August 2005 im Erziehungsurlaub. Mit Schreiben vom 5. Dezember 2004 kündigte sie ihr Arbeitsverhältnis zum Ende der Elternzeit (10. August 2005) und führte zur Begründung aus, dass für sie aufgrund des langen Anfahrtsweges und des damit verbundenen Zeitaufwands keine Möglichkeit bestehe, ihre Kinder angemessen zu betreuen. Hierzu schlossen die Klägerin und die A. einen Abwicklungsvertrag vom 23. Dezember 2004. Danach erhielt die Klägerin wegen des Verlustes des sozialen Besitzstandes im Zusammenhang mit der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 34.000,00 EUR brutto. Seit Juni 2005 übte die Klägerin eine selbständige Tätigkeit als Fußpflegerin aus. Am 14. Juni 2005 meldete sie sich mit Wirkung zum 11. August 2005 arbeitslos und beantragte Alg. Den Zeitaufwand für die Tätigkeit als Fußpflegerin gab sie dabei mit ca. 4 Wochenstunden an.
Mit Bescheid vom 3. August 2005 lehnte die Beklagte den Leistungsantrag mit der Begründung ab, dass die Anwartschaftszeit - eine der Voraussetzungen für den Bezug von Alg - nicht erfüllt sei. Die Klägerin habe nämlich innerhalb der Rahmenfrist vom 23. August 1998 bis 10. August 2005 nicht mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden. Die Rahmenfrist von drei Jahren sei dabei um Zeiten der Betreuung und Erziehung eines Kindes bis zur Vollendung des dritten Lebensjahres verlängert worden; alle nachgewiesenen Versicherungszeiten seien berücksichtigt worden. Die Ausnahme für Saisonarbeiter treffe für die Klägerin nicht zu. Die Entscheidung beruhe auf §§ 117, 123, 124 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III). Hiergegen erhob die Klägerin am 25. August 2005 Widerspruch. Sie machte geltend, seit ihrem Schulabschluss durchgehend in einem versicherungspflichtigen Dienstverhältnis gestanden zu haben, auch während der Elternzeit. Auf Nachfrage legte die Klägerin ergänzend einen Kinderbetreuungsnachweis vor, auf dessen Inhalt Bezug genommen wird (Bl. 26 der Verwaltungsvorgänge). Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Oktober 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte aus: Die Anwartschaftszeit habe erfüllt, wer in der Rahmenfrist mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden habe (§ 123 SGB III). Versicherungspflichtig seien unter anderem Personen in der Zeit, in der sie von einem Leistungsträger Mutterschaftsgeld bezögen, wenn sie unmittelbar vor Beginn der Leistung versicherungspflichtig gewesen seien oder eine laufende Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hätten, ferner Personen in der Zeit, in der sie ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet habe, erzögen, wenn sie unmittelbar vor der Kindererziehung versicherungspflichtig beschäftigt gewesen seien oder laufende Entgeltersatzleistungen nach dem SGB III bezogen hätten (§ 26 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 2a Nr. 1 SGB III in der seit 1. Januar 2003 geltenden Fassung i.V.m. § 434j SGB III). Die Vorschrift des § 124 Abs. 3 Nr. 2 SGB III, wonach sich die Rahmenfrist durch Kinderbetreuungs- und Erziehungszeiten verlängerten, sei durch das Job-AQTIV-Gesetz vom 1. Januar 2003 (gemeint: zum 1. Januar 2003) aufgehoben. Gleichzeitig gelte, dass Erziehungszeiten für ein Kind, das das dritte Lebensjahr noch nicht vollend...