Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Krankenhaus. Abrechnungsprüfung. stationäre Entbindung. Aufwandspauschale
Leitsatz (amtlich)
Aufgrund einer Abrechnungsprüfung für eine stationäre Entbindung kann kein Anspruch auf eine Aufwandspauschale entstehen.
Orientierungssatz
§ 275 Abs 1c SGB 5 bedarf schon zur Wahrung der Gleichgewichtigkeit der Interessen von Krankenkassen und Krankenhaus einer einschränkenden Auslegung (vgl BSG vom 22.6.2010 - B 1 KR 1/10 R = BSGE 106, 214 = SozR 4-2500 § 275 Nr 3).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 20. Januar 2011 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 100,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale hat.
Die Klägerin ist eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in R... Sie betreibt neben weiteren Kliniken das St. E...-Krankenhaus L... in Rheinland-Pfalz. In diesem Krankenhaus war die bei der Beklagten Versicherte N...O... wegen einer Entbindung vom 9. Mai bis 13. Mai 2008 stationär aufgenommen worden.
Mit Rechnung vom 24. Juli 2008 machte die Klägerin für den stationären Aufenthalt der Versicherten eine DRG-Fallpauschale O02B (vaginale Entbindung mit komplizierender OR-Prozedur, Schwangerschaftsdauer mehr als 33 vollendete Wochen, ohne intrauterine Therapie) mit einem Gesamtbetrag von 1.717,07 EUR geltend. Als Hauptdiagnose gab sie an: Dammriss 1. Grades unter der Geburt (O70.0). Als Nebendiagnosen teilte sie mit: akute Blutungsanämie (D62), Schwangerschaftsdauer: 37. Woche bis 41 vollendete Wochen (O09.6), Infektionen der Niere in der Schwangerschaft (O23.0), sonstige unmittelbar postpartal auftretende Blutung (O72.1), hypovolämischer Schock (R57.1), lebendgeborener Einling (Z37.0).
Weil sie Zweifel an der Richtigkeit der Nebendiagnosen D62, O23.0, O72.1 und R57.1 hatte, veranlasste die Beklagte eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK). Dieser kam in seinem Gutachten vom 23. Juli 2008 zu dem Ergebnis, dass die Nebendiagnose “Infektionen der Niere in der Schwangerschaft„ (O23.0) zu streichen sei. Die Voraussetzungen einer Fallpauschale nach DRG O02B sah der Gutachter des MDK allerdings als erfüllt an. Aufgrund des Ergebnisses der Begutachtung durch den MDK führte die Beklagte keine Rechnungskürzung durch.
Die Klägerin machte gegenüber der Beklagten eine Aufwandspauschale in Höhe von 100,00 EUR gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) geltend. Mit Schreiben vom 7. August 2008 lehnte die Beklagte die Zahlung ab. Zur Begründung führte sie aus, dass § 275 Abs. 1c SGB V nicht auf eine Entbindungsanstaltspflege nach § 197 Reichsversicherungsordnung (RVO) anwendbar sei. Nachdem die Klägerin dagegen Einwände erhoben hatte, lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 29. August 2008 erneut die Zahlung der geforderten Aufwandspauschale ab.
Mit dem am 19. Dezember 2008 beim Sozialgericht Koblenz eingegangenen Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten hat das St. E...-Krankenhaus L... daraufhin Klage erhoben. Mit Beschluss vom 3. März 2009 hat das Sozialgericht Koblenz den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Sozialgericht Lübeck verwiesen. In der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2011 hat die Klägerin nach einem Beteiligtenwechsel das Verfahren fortgeführt. Die Beklagte hat dem Beteiligtenwechsel zugestimmt.
Zur Begründung der Klage wurde im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe einen Anspruch auf Zahlung einer Aufwandspauschale gemäß § 275 Abs. 1c Satz 3 SGB V in Höhe von 100,00 EUR. Der Tatbestand dieser Norm sei erfüllt. Die Beklagte habe eine Rechnungsprüfung gemäß § 275 Abs. 1 Satz 1 SGB V veranlasst. Diese Prüfung habe nicht zu einer Änderung der abgerechneten DRG und Minderung der Rechnung geführt. § 275 Abs. 1c SGB V sei auf stationäre Entbindungsfälle im Sinne des § 197 RVO anwendbar. Bei einem Krankenhausaufenthalt zur Entbindung gemäß § 197 RVO handele es sich auch um eine Krankenhausbehandlung. Diese Krankenhausbehandlung könne mit einer entsprechenden DRG-Fallpauschale abgerechnet und Gegenstand einer MDK-Prüfung sein.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihr 100,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basissatz seit dem 19. Dezember 2008 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass § 275 Abs. 1c SGB V nicht auf Fälle des § 197 RVO anwendbar sei, da es sich nicht um eine Krankenhausbehandlung, sondern um eine Entbindung handele. Dies habe auch das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz im Urteil vom 19. August 2010 (L 5 KR 184/09) bestätigt.
Mit Urteil vom 20. Januar 2011, in dem die Berufung zugelassen wurde, hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zahlung ...