Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiwillig krankenversicherter Sozialhilfeempfänger. Beitragsbemessung. öffentlich-rechtlicher Vertrag. Zulässigkeit von vertraglichen Vereinbarungen über die Beitragshöhe (hier: Vereinbarung zwischen dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Schleswig-Holstein, dem Schleswig-Holsteinischen Landkreistag und dem Städtetag Schleswig-Holstein als Sozialhilfeträger sowie der Landesvertretung Schleswig-Holstein des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen eV (VdAK) und der Landesvertretung Schleswig-Holstein des Arbeiter-Ersatzkassenverbandes eV (AEV) vom 18.12.1997 und vom 10.6.1998)

 

Orientierungssatz

Vertragliche Vereinbarungen (öffentlich-rechtlicher Vertrag) über die Beitragseinstufung freiwillig krankenversicherter Sozialhilfeempfänger sind zulässig. Ein Verbot, derartige Vereinbarungen abzuschließen kann dem Gesetz (§ 240 Abs 1 SGB 5) nicht entnommen werden. Die Vereinbarung stellt keinen Vertrag zu Lasten Dritter, nämlich der Sozialhilfeempfänger, dar. Denn diese trifft nicht die Verpflichtung, überhöhte Beiträge zahlen zu müssen. Die Beitragshöhe gemäß der Vereinbarung ist nur so lange maßgeblich, wie die Sozialhilfeempfänger Leistungen nach dem BSHG beziehen. Diese tragen zwar die Beiträge iS des § 250 SGB 5. Sie haben jedoch nach § 13 Abs 2 BSHG einen entsprechenden Leistungsanspruch gegenüber dem Sozialhilfeträger und sind daher wirtschaftlich nicht von erhöhten Beitragszahlungen betroffen.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.02.2008; Aktenzeichen B 12 KR 38/06 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 12. November 2004 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch der Klägerin auf Beitragsrückzahlung.

Die Klägerin erbringt als Sozialhilfeträger Leistungen an im Einzelnen namentlich benannte Sozialhilfeempfänger. In diesem Rahmen zahlte sie Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung an die Beklagte.

Die Satzung der Beklagten vom 1. Januar 1954 sieht in der Fassung des 46. Nachtrags vom 12. August 1998 in § 22 Satz 8 Nr. 5 vor, dass Sozialhilfeempfänger grundsätzlich in den Beitragsklassen 801, 851 ff. entsprechend ihren nachgewiesenen monatlichen beitragspflichtigen Einnahmen versichert werden und enthält die weitere Regelung, dass abweichend davon mit den Trägern der Sozialhilfe eine pauschalierende Berechnungsweise vereinbart werden kann. Zwischen dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Schleswig-Holstein, dem Schleswig-Holsteinischen Landkreistag und dem Städtetag Schleswig-Holstein als Sozialhilfeträger sowie der Landesvertretung Schleswig-Holstein des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen e.V. (VdAK) und der Landesvertretung Schleswig-Holstein des Arbeiter-Ersatzkassenverbandes e.V. (AEV) wurde am 18. Dezember 1997 mit Wirkung vom 1. Dezember 1997 und am 10. Juni 1998 mit Wirkung vom 1. Januar 1998 eine Vereinbarung über die Beitragseinstufung freiwillig versicherter Sozialhilfeempfänger geschlossen. In § 4 dieser Vereinbarung ist geregelt:

“Für den in § 1 genannten Zeitraum (i.e. 1. September 1997 bis 31. Dezember 1997 bzw. ab 1. Januar 1998) vereinbaren die Vertragsparteien eine Beitragsbemessung auf der Basis der Anrechnung eines Einkommens in Höhe eines 3,7fachen Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes (gültig für Schleswig-Holstein nach dem Stand vom 01.07.1997).„

In der Zeit vom 1. September 1997 bis 31. Dezember 2000 zahlte die Klägerin monatliche Beiträge in Anwendung der Vereinbarung. Nachdem das Bundessozialgericht (BSG) mit Urteilen vom 19. Dezember 2000 (B 12 KR 1/00 R, B 12 KR 20/00 R, B 12 KR 21/00 R, B 12 KR 36/00 R) entschieden hatte, dass nach § 240 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) für die Beitragsbemessung in der Satzung nur die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds herangezogen werden könne und diese Regelung auch für die Sozialhilfeempfänger gelte, versuchten die Beteiligten zunächst auf Verbandsebene eine Regelung für die Rückzahlung von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen zu erwirken. Diese Gespräche verliefen ergebnislos.

Am 28. Dezember 2001 hat die Klägerin gegenüber der Beklagten Klage beim Sozialgericht Kiel erhoben.

Während des Verlaufs des Verfahrens hat sie am 4. Juli 2002 beantragt, überzahlte Beiträge zurückzuerstatten. Diesen Antrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 9. Oktober 2002 zurückgewiesen.

Vor dem Sozialgericht hat die Klägerin vorgetragen, sie mache einen Anspruch aus abgetretenem und aus eigenem Recht geltend. Die Sozialhilfeempfänger hätten ihren Erstattungsanspruch mitsamt dem Anspruch nach § 44 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) an sie abgetreten. Die Abtretungserklärungen hat sie vorgelegt. Außerdem habe sie als Sozialhilfeträger einen eigenen Anspruch, da sie nach § 13 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge für die Sozia...

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