Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtzeitige Ausstellung einer Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung als Voraussetzung der Weiterbewilligung von Krankengeld - Ausnahmefall
Orientierungssatz
1. Der Anspruch auf Krankengeld nach § 44 SGB 5 setzt kumulativ sowohl das Bestehen von Arbeitsunfähigkeit als auch deren ärztliche Feststellung voraus. Die ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit mit krankengelderhaltender Wirkung kann grundsätzlich nicht rückwirkend getroffen werden.
2. Ausnahmsweise steht dem Krankengeldanspruch des Versicherten eine nachträglich erfolgte ärztliche Feststellung der Arbeitsunfähigkeit nicht entgegen, wenn dieser u. a. alles in seiner Macht Stehende getan hat, um seine Ansprüche zu wahren (BSG Urteil vom 11. 5. 2017, B 3 KR 22/15 R).
3. Hat der Versicherte zur Ausstellung einer Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigung die Praxis seines behandelnden Vertragsarztes aufgesucht, war diese aber verschlossen, so ist es ihm zuzumuten, den ärztlichen Bereitschaftsdienst der Kassenärztlichen Vereinigung zur Ausstellung der Folgebescheinigung zu kontaktieren. Unterlässt er dies, obwohl zumutbar, so ist die Weiterbewilligung von Krankengeld wegen nicht rechtzeitig ausgestellter Arbeitsunfähigkeitsfolgebescheinigung ausgeschlossen.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 7. November 2018 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander außergerichtliche Kosten für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Krankengeld über den 1. Oktober 2017 hinaus hat.
Der 1958 geborene, mit einer sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ehefrau verheiratete Kläger war bei der Beklagten mit Anspruch auf Krankengeld krankenversichert. Seit dem 4. April 2017 war er arbeitsunfähig erkrankt. Die behandelnde Ärztin R... diagnostizierte eine Panikstörung (ICD-10-Code F41.0) und eine Somatisierungsstörung (ICD-10-Code F45.0). Sein letztes Arbeitsverhältnis endete zum 1. Mai 2017.
Seit 1. Mai 2017 gewährt die Beklagte dem Kläger Krankengeld in Höhe von kalendertägig brutto 83,04 EUR. Im Bewilligungsbescheid vom 30. Mai 2017 wies die Beklagte darauf hin, dass sie das Krankengeld grundsätzlich rückwirkend und jeweils bis zu dem Tag zahle, an dem die Ärztin bzw. der Arzt die Arbeitsunfähigkeit festgestellt habe. Sofern der Kläger Krankengeld für einen kompletten Kalendermonat erhalte, werde dieser mit 30 Tagen berücksichtigt. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bewilligungsbescheid (Bl. 20 [unfoliiert] der Leistungsakte) Bezug genommen.
Der Kläger brachte in der Folge Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen seiner behandelnden Ärztin R... bei, und zwar vom 2. Mai 2017 für den Zeitraum bis 16. Mai 2017, vom 16. Mai 2017 für den Zeitraum bis 6. Juni 2017, vom 6. Juni 2017 für den Zeitraum bis 27. Juni 2017, vom 27. Juni 2017 für den Zeitraum bis 11. Juli 2017, vom 11. Juli 2017 für den Zeitraum bis 1. August 2017, vom 2. August 2017 für den Zeitraum bis 13. September 2017 und vom 6. September 2017 für den Zeitraum bis zum 1. Oktober 2017.
Am Vormittag des 2. Oktober 2017, einem Montag, suchte der Kläger die Praxis seiner behandelnden Ärztin R... auf. Dabei stellte er fest, dass die Praxis geschlossen war. Hintergrund der Schließung war, dass es sich um einen Brückentag zwischen dem Wochenende und dem am Dienstag folgenden Feiertag handelte. Die Hausärztin, deren übliche Vorgehensweise es war, schriftliche Urlaubsinformationen für ihre Patienten farblich gekennzeichnet am Tresen ausliegen zu lassen, hatte ihren Anrufbeantworter mit folgendem Text besprochen: „Das ist der Anrufbeantworter der hausärztlichen internistischen Praxis von Frau R.... Bitte hören Sie die Ansage bis zum Ende an. Unsere Praxis ist bis einschließlich Dienstag den 3.10.2017 geschlossen. Der ärztliche Bereitschaftsdienst steht Ihnen von Freitag den 29.9.2017 ab 13:00 Uhr bis einschließlich Mittwoch, den 4.10.2017 8:00 Uhr unter der Telefonnummer 116117 zur Verfügung. In dringenden ärztlichen Notfällen wählen Sie bitte die Nummer des Rettungsdienstes 112. Mittwoch den 4.10.2017 sind wir ab 8:00 Uhr wieder in unserer Praxis für Sie da.“ Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 62 der Gerichtsakte im Verfahren S 33 KR 44/17 ER Bezug genommen.
Am 4. Oktober 2017 suchte er die Arztpraxis von Frau R... erneut auf. Diese bescheinigte ihm mit Folgebescheinigung vom selben Tag Arbeitsunfähigkeit seit dem 4. Oktober 2017 bis zum 25. Oktober 2017.
Mit Bescheid vom 5. Oktober 2017 stellte die Beklagte die Gewährung von Krankengeld mit dem 1. Oktober 2017 ein. Zur Begründung führte sie aus, dass die Arbeitsunfähigkeit spätestens am 2. Oktober 2017 hätte neu festgestellt werden müssen, um den Anspruch auf Krankengeld aufrechtzuerhalten. Bei erneuter Feststellung der Arbeitsunfähigkeit am 4. Oktober 2017 sei der Kläger nicht mehr mit Anspruch auf Krankengel...