Entscheidungsstichwort (Thema)
Betreibungsverpflichtung. Kosten
Leitsatz (amtlich)
Die dem Mieter durch Formularvertrag auferlegte Pflicht zum Betrieb des Mietobjekts stellt eine unangemessene Benachteiligung dar, wenn dem Mieter gleichzeitig eine Sortimentsbindung auferlegt und ihm jeglicher Konkurrenzschutz versagt wird.
Orientierungssatz
Unwirksame Verpflichtung eines Mieters zum Betrieb des Mietobjekts durch Formularvertrag
Normenkette
AGBG § 9 Abs. 1, 2 S. 2
Verfahrensgang
LG Lübeck (Urteil vom 07.06.1999; Aktenzeichen 16 O 6/99) |
Tenor
Die (sofortige) Beschwerde der Verfügungsklägerin vom 7. Juni 1999 gegen den Beschluß des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen III des Landgerichts Kiel vom 05.05.1999 wird zurückgewiesen.
Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten der Beschwerde.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt bis 4.800,– DM.
Gründe
Das Landgericht hat die Kosten des Verfügungsverfahrens gem. § 91 a Abs. 1 ZPO zu Recht der (Verfügungs-)Klägerin auferlegt, weil sie bei streitiger Entscheidung voraussichtlich unterlegen wäre. Den dafür maßgebenden Erwägungen der angefochtenen Entscheidung tritt der Senat bei.
Die Klägerin hat von der Beklagten verlangt, die von ihr gemietete Ladenfläche im Erdgeschoß des Ärztehauses des Einkaufszentrums weiterhin zum Betrieb eines Reisebüros zu nutzen und es zu den – im einzelnen aufgeführten – Geschäftszeiten durchgehend offen zu halten. Diesen Anspruch stützt die Klägerin auf den zwischen den Parteien geschlossenen Mietvertrag Teil B Nr. 10. Diese Regelung hält jedoch der Wirksamkeitskontrolle gem. § 9 Abs. 1 AGBG nicht stand.
Eine Betreibungspflicht kann dem Mieter zwar in der Regel auch durch Formularvertrag – wie hier geschehen – auferlegt werden (vgl. BGH WM 1992, 1582 f). Die Klägerin hat aber die Beklagte desweiteren grundsätzlich an die zu Vertragsbeginn bestimmte Geschäftsausrichtung gebunden (sog. Sortimentsbindung) und ihr überdies jeglichen Konkurrenz- oder Sortimentsschutz versagt (vgl. Mietvertrag Teil B Nr. 2). Eine derartige Kombination verstößt, wie im Anschluß an Sternel (Mietrecht, 3. Aufl. 1988, II 273 f) zu Recht vom Landgericht vertreten wird, gegen das in § 9 Abs. 1 AGBG niedergelegte Verbot unangemessener Benachteiligung. Dadurch wird nämlich der Beklagten, die als Mieterin von Geschäftsraum ohnehin das Rentabilitätsrisiko zu tragen hat, bei Verweigerung von jeglichem Konkurrenzschutz grundsätzlich die Möglichkeit des Ausweichens in eine andere Geschäftsausrichtung genommen und ihr eine (ggf. kostensparende) Geschäftsaufgabe schlechthin versagt. Diese weitgehende Beschneidung der grundsätzlichen Dispositionsfreiheit des Mieters einerseits und die Versagung von jeglichem, an sich aus der Leistungstreuepflicht geschuldeten Wettbewerbsschutz andererseits sind mit dem in § 9 Abs. 2 S. 2 AGBG enthaltenen Verbot der Aushöhlung wesentlicher Vertragspflichten und -rechte (vgl. BGHZ 103, 316, 324) nicht vereinbar.
Das gilt auch unter Berücksichtigung der Gegebenheiten in einem Einkaufszentrum, dessen Attraktivität im Gesamtinteresse aller Beteiligten außer einer möglichst vollständigen Vermietung auch tatsächlich betriebene Geschäfte und eine Vielgestaltigkeit des Angebots voraussetzt. Dadurch rechtfertigt sich aber im Interesse (vermeintlich) leichterer Vermietbarkeit nicht eine derart umfassende Versagung von Wettbewerbsschutz, daß in unmittelbarer Umgebung eines Mieters Läden an seine Konkurrenz vergeben werden können. Selbst das wäre jedoch nach dem Klauselwerk der Klägerin zufolge der zunächst anzustellenden (scheinbar) kundenfeindlichsten Auslegung (vgl. dazu OLG Schleswig, ZIP 1995, 762 und Palandt/Heinrichs, BGB, 58. Aufl. 1999, AGBG, § 5 Rn 9) möglich. Eine hinzutretende Betreibungspflicht stellt eine unangemessene Benachteiligung dar.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 512085 |
NZM 2000, 1008 |
OLGR-BHS 1999, 385 |