Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Reduzierung des kleinen Selbstbehaltes
Leitsatz (amtlich)
Im Rahmen des Kindesunterhalts kann im Prozesskostenhilfeverfahren der kleine Selbstbehalt (hier: Aufgrund geringerer Mietzahlungen als in den Unterhaltsrechtlichen Leitlinien vorgesehen) nicht reduziert werden.
Normenkette
BGB §§ 1601, 1603
Verfahrensgang
AG Mölln (Beschluss vom 13.06.2006; Aktenzeichen 1 F 75/06) |
Tenor
Der Beschluss des AG - FamG - Mölln vom 13.6.2006 wird geändert.
Dem Beklagten wird Prozesskostenhilfe bewilligt für den Antrag,
die Klage abzuweisen, soweit pro Kind Kindesunterhalt von monatlich mehr als 137 EUR verlangt werden.
Die weitere Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Kosten für das Beschwerdeverfahren werden auf die Hälfte ermäßigt.
Gründe
Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat teilweise Erfolg.
Der Beklagte schuldet seinen drei Kindern Kindesunterhalt nach § 1601 ff. BGB.
Zutreffend weist das FamG darauf hin, dass den Beklagten eine gesteigerte Erwerbsobliegenheit trifft, solange nicht 100 % der Grundbeträge der Düsseldorfer Tabelle für die Kinder gezahlt werden können.
Grundsätzlich hat der Beklagte die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er nicht in der Lage ist, diese Beträge für die Kinder aufzubringen.
Nach den eigenen Einkünften des Beklagten ist zunächst von einem Nettoeinkommen auszugehen ist Höhe von 1.318,33 EUR.
Abzuziehen davon sind Fahrkosten mit höchstens 15 % = 197,75 EUR.
Zuzüglich Steuerfreibetrag mit 80 EUR
Zusammen 1.200,58 EUR.
Der Beklagte ist im Rahmen seiner gesteigerten Unterhaltsverpflichtung verpflichtet, alle Steuervergünstigungen zugunsten der Kinder in Anspruch zu nehmen. Da der Beklagte hohe Fahrkosten in Anspruch nimmt, ist er verpflichtet, für diese Fahrkosten einen Freibetrag eintragen zu lassen um so die monatliche Steuerbelastung zu senken.
Nach dem letzten Steuerbescheid betrug der Betrag für Fahrkosten pro Jahr 3.588 EUR, sodass bei einem monatlichen Freibetrag von 299 EUR sich die Steuerverpflichtung um ca. 80 EUR senken würde.
Zuzüglich - für PKH-Bewilligung - fiktive Einkünfte aus Nebentätigkeit 100 EUR.
Bei der Zurechnung eines fiktiven Einkommens aus einer Nebentätigkeit ist nach der Entscheidung des BVerfG FamRZ 2003, 66 bei der Frage der Leistungsfähigkeit als Maßstab der Verhältnismäßigkeit zu prüfen, ob die zeitliche und physische Belastung durch die ausgeübte und die zusätzliche Arbeit dem Unterhaltspflichtigen unter Berücksichtigung auch der Bestimmungen abverlangt werden kann, welche die Rechtsordnung zum Schutz der Arbeitskraft vorgibt. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann nur ein begrenzter Fehlbetrag zur Erfüllung der Unterhaltspflicht von 100 % der Gruppe 1 der DT zur Auffüllung fiktiv zugerechnet werden.
Auf Seiten des Beklagten ist zunächst auszugehen von einem Einkommen von 1.200,58 EUR.
Unter Berücksichtigung des kleinen Selbstbehaltes von 890 EUR stehen für die Erfüllung des Kindesunterhaltes zunächst zur Verfügung 310,58 EUR.
Der Bedarf der Kinder nach Gruppe 1 der Düsseldorfer Tabelle beläuft sich auf 741 EUR sodass durch Nebentätigkeit ein Betrag von ca. 430 EUR aufgefüllt werden müsste.
Es ist dem Beklagten nicht zumutbar ca. 30 % seines Nettoeinkommens, dass er aus einer vollschichtigen Tätigkeit verdient, durch Nebentätigkeit hinzu zu verdienen.
Für das PKH-Verfahren geht der Senat zu Lasten des Beklagten zunächst davon aus, dass er einen Betrag von 100 EUR pro Monat durch Nebentätigkeit am Wochenende verdienen könnte.
Ob und in welchem Umfang möglicherweise höhere Beträge in Betracht kommen, muss das Hauptsacheverfahren ergeben.
Somit ergibt sich folgendes zu berücksichtigendes Einkommen: 1.200,58 EUR
zzgl. fiktive Einkünfte aus einer Nebentätigkeit 100 EUR
1.300,58 EUR
Abzüglich kleiner Selbstbehalt 890 EUR
Verbleiben 410,58 EUR
pro Kind gerundet 137 EUR.
Entgegen der Auffassung des FamG kann der kleine Selbstbehalt - jedenfalls im PKH-Verfahren - nicht dadurch reduziert werden, dass der Beklagte eine geringere Miete zahlt, als in den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des OLG Schleswig bei der Bemessung des Selbstbehaltes vorgesehen.
Das PKH-Verfahren dient nicht dem Zweck, über zweifelhafte Rechtsfragen abschließend vorweg zu entscheiden. Der Partei muss die Möglichkeit gegeben werden, dass über zweifelhafte Rechtsfragen im Hauptverfahren entschieden wird, um der Partei so die Möglichkeit zu geben die Revision einzulegen, vgl. Zöller/Philippi, ZPO, 25. Aufl., § 114 Rz. 21 m.w.N.
Die Frage, ob der notwendige Selbstbehalt - auch bei Zahlung von Kindesunterhalt - unterschritten werden kann, wenn der Zahlungspflichtige Leistungen, die im kleinen Selbstbehalt enthalten sind, nicht voll zu erbringen hat, ist höchstrichterlich bisher nicht entschieden. Soweit der BGH eine Reduzierung des Selbstbehaltes für nicht für zulässig erachtet, bezieht sich diese auf die Bemessung von Selbstbehalt beim sog. Elternunterhalt, vgl. BGH v. 29.10.2003 - XII ZR 115/01, BGHReport 2004, 19 = MDR 2004, 942 = FamRZ 2004, 24; FamRZ 2004, 186. Zwar führt ...