Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestellung eines Notvorstandes für einen Verein

 

Leitsatz (amtlich)

1. Im Verfahren betreffend die Bestellung eines Notvorstandes hat das einzelne Vereinsmitglied ein eigenes Antragsrecht und bei Ablehnung seines Antrages auch ein Beschwerderecht.

2. Die zur Vertretung eines Vereins satzungsgemäß erforderlichen Vorstandsmitglieder sind i.S.d. § 29 BGB weggefallen, wenn sämtliche Vorstandsmitglieder sich entweder darauf berufen, sie hätten ihre Ämter wirksam niedergelegt, oder jedenfalls faktisch jegliche Vorstandstätigkeit verweigern.

3. Ein dringender Fall i.S.d. § 29 BGB liegt jedenfalls dann vor, wenn das Registergericht nach § 73 BGB einen Beschluss über die Entziehung der Rechtsfähigkeit gefasst hat und die zur Vertretung nach der Satzung erforderlichen Vorstandsmitglieder weggefallen sind.

4. Wenn die Satzung des betroffenen Vereins eine Gesamtvertretung durch zwei Vorstandsmitglieder vorsieht und sämtliche Vorstandsmitglieder weggefallen sind, hat das Gericht nach § 29 BGB so viele Mitglieder zur Ergänzung des Vorstandes zu bestellen, wie es nach der Satzung zur Vertretung des Vereins erforderlich ist.

 

Normenkette

FamFG § 59; BGB §§ 29, 37, 73

 

Verfahrensgang

AG Kiel (Beschluss vom 06.05.2010)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten vom 4.6.2010 wird der Beschluss des Registergerichts des AG Kiel vom 6.5.2010 (dem Beteiligten mitgeteilt mit dem Datum 7.5.2010) abgeändert.

Für den Betroffenen ist ein Notvorstand zu bestellen, dessen Auswahl das Registergericht nach Maßgabe der Gründe dieses Beschlusses zu treffen hat.

Dem Beteiligten wird für das Verfahren in beiden Rechtszügen Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt (...) bewilligt.

Der Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Beteiligte als Mitglied und Kassenprüfer des betroffenen Vereins begehrt die Bestellung eines Notvorstandes.

Der Betroffene ist seit dem 1.7.2004 im Vereinsregister des AG Kiel eingetragen. Der Vorstand i.S.d. § 26 BGB besteht satzungsgemäß aus dem 1. Vorsitzenden, dem 2. Vorsitzenden, dem Sportwart und dem Kassenwart. Je zwei Vorstandsmitglieder, darunter einer der beiden Vorsitzenden, vertreten den Verein gemeinsam. Nach § 4 Nr. 2b der Satzung werden die Vorstandsmitglieder jeweils für die Dauer von zwei Jahren gewählt. Sie bleiben jedoch bis zur Neuwahl der Vorsitzenden im Amt.

Seit dem 20.9.2006 sind im Vereinsregister die am 11.6.2006 gewählten Vorstandsmitglieder eingetragen, nämlich J. P. als 1. Vorsitzender, M. K. als 2. Vorsitzender, D. Z. als Kassenwart und M. Ö. als Sportwart. Als im Jahre 2008 keine Anmeldung über Vorstandsneuwahlen beim Registergericht einging, wandte das Gericht sich an die eingetragenen Vorstandsmitglieder. Der 1. und der 2. Vorsitzende teilten jeweils mit, der Verein sei schon im Sommer 2007 durch Beschluss der Mitgliederversammlung aufgelöst worden.

Da entgegen § 5 Nr. 1 der Satzung nicht alle stimmberechtigten Mitglieder an der Versammlung teilgenommen hatten, ist die Wirksamkeit des Auflösungsbeschlusses jedoch zumindest zweifelhaft. Einige der Vereinsmitglieder, nach Angaben des Beteiligten die Vorstandsmitglieder, nahmen im Anschluss an den Auflösungsbeschluss die Gründung neuer Billard-Vereine in Angriff und betreiben nun in anderen Vereinen den Billardsport. Beiträge an den Betroffenen wurden durch die Mitglieder seither nicht mehr gezahlt. Die Vorstandsmitglieder entfalteten keine Tätigkeiten zur Verwirklichung des Vereinszwecks mehr.

Am 6.4.2009 suchte der Beteiligte das Registergericht auf und teilte mit, der Verein sei nicht wirksam aufgelöst. Er selbst gehe davon aus, dass außer ihm noch weitere Mitglieder die Absicht hätten, den Verein fortzuführen. Der Rechtspfleger des Registergerichts hat dem Beteiligten geraten, gemeinsam mit den anderen an der Erhaltung des Vereins interessierten Mitgliedern nach § 37 BGB die Durchführung einer Mitgliederversammlung zu erreichen und in der Versammlung einen neuen Vorstand zu wählen. Dies geschah nicht.

Mit Schriftsatz vom 26.8.2009, bei Gericht eingegangen am 1.9.2009, hat der Beteiligte einen Antrag auf Bestellung eines Notvorstandes gestellt und die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe beantragt. Der Vorstand des Betroffenen verweigere die Geschäftsführung grundsätzlich und vollständig. Es lägen grundlegende Zerwürfnisse vor. Der Kassenwart sei sehr wahrscheinlich mit der Kasse "untergetaucht". Der Vorstand habe offenbar kein Interesse an der Aufklärung des Sachverhalts und an der Sicherung des Vereinsvermögens. Aufgrund von Fehlinformationen über die angebliche Auflösung des Vereins seien auch die Mietverträge über das Vereinsheim nicht verlängert und der Verein aus dem Dachverband abgemeldet worden. Das Vereinsleben des Betroffenen habe sich weitestgehend auf den neu gegründeten Verein (...) verlagert, dessen Mitglied er selbst nicht sei.

Es bestehe nun dringender Handlungsbedarf, damit eine Mitgliederversammlung einberufen werden könne. Die Angelegenheit müsse aufg...

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