Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Beweisbeschluss und an die Qualifikation des für ein familienpsychologisches Gutachten hinzuzuziehenden Sachverständigen
Leitsatz (amtlich)
Familiengerichtliches Verfahren bei Kindeswohlgefährdung: Anforderungen an den Beweisbeschluss und an die Qualifikation des für ein familienpsychologisches Gutachten hinzuzuziehenden Sachverständigen, insbesondere eines Sozialpädagogen; Nachweis des Erwerbs ausreichender diagnostischer und analytischer Kenntnisse durch eine anerkannte Zusatzqualifikation.
Normenkette
BGB §§ 1666, 1666a; FamFG § 163 Abs. 1
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Kindesmutter vom 25.12.2019 und die Beschwerde des Kindesvaters vom 01.01.2020 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Meldorf vom 05.12.2019 und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung auch über die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens an das Amtsgericht - Familiengericht - Meldorf zurückverwiesen.
II. Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben.
III. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 3.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beteiligten zu 4) und 5), die seit 2006 miteinander verheiratet sind und inzwischen getrennt leben, sind die Eltern der Kinder zu 1) bis 3) und hatten gemeinsam die elterliche Sorge inne.
Gemäß Bericht des Jugendamtes vom 27.04.2019 wurden die Kinder zu 1) bis 3) am 26.04.2019 auf Wunsch der Kindesmutter, die mit den Kindern in ein Frauenhaus flüchten wollte, dort aber keinen Platz fand, in Obhut genommen.
Am 30.04.2019 beantragte der Kindesvater, ihm im Wege der einstweiligen Anordnung die elterliche Sorge für die Kinder zu 1) bis 3) zu übertragen (Az.: 112 F 138/19). Zur Begründung führte er aus, dass die Kindesmutter in letzter Zeit häufig stark alkoholisiert und aggressiv sei. Hierbei komme es vor, dass sie die Kinder schlage und trete. Nachdem die Kinder in Obhut genommen worden seien, sei ihm vom Jugendamt empfohlen worden, einen Antrag auf Übertragung des alleinigen Aufenthaltsbestimmungsrechts für die Kinder zu beantragen. Die Kindesmutter beantragte, diesen Antrag zurückzuweisen. Sie hat die Angaben des Kindesvaters bestritten und behauptet, der Kindesvater sei Alkoholiker, ständig aggressiv und ihr gegenüber gewalttätig.
Das Amtsgericht hat von Amts wegen das vorliegende Verfahren zur Überprüfung einer Kindeswohlgefährdung gemäß § 1666 f. BGB eingeleitet.
Wegen der Vorverfahren und der vorgerichtlichen Entwicklung wird im Übrigen auf den Inhalt der Gründe zu I. der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Mit Beweisbeschluss vom 28.05.2019 hat das Amtsgericht beschlossen, dass "ein stationäres, interprofessionelles, familienpsychologisches Sachverständigengutachten" darüber eingeholt werden soll, "ob unter Berücksichtigung der gefühlsmäßigen Bindungen der Kinder, der Erziehungsfähigkeit der Eltern und der jeweils angestrebten Perspektiven für das eigene Leben und das Leben der Kinder ein Verbleib im dortigen Haushalt das Wohl der Kinder gefährdet und ggfs. welche Erziehungshilfen und sonstige Maßnahmen aus sachverständiger Sicht erforderlich und ausreichend sind, eine Herausnahme der Kinder aus dem elterlichen Haushalt zu vermeiden".
Ferner hat das Amtsgericht angeordnet, dass darüber Beweis erhoben werden soll, welcher Elternteil unter Berücksichtigung der gefühlsmäßigen Bindungen der Kinder, der eigenen Erziehungsfähigkeit und Bindungstoleranz besser in der Lage ist, die Kinder zu betreuen und zu erziehen.
Zur Sachverständigen hat es die Diplom-Sozialpädagogin (FH) P., ... Institut für pädagogische und psychologische Diagnostik und Bildung, bestellt.
Mit Beschluss vom 29.05.2019 hat der Senat in dem Verfahren Az.: 13 UF 13/19 ausgeführt, dass der Erwerb ausreichender diagnostischer und analytischer Kenntnisse im Rahmen einer anerkannten Zusatzqualifikation im Sinne des § 163 Abs. 1 Satz 2 FamFG durch die Diplom-Sozialpädagogin (FH) P. nicht nachgewiesen ist. Dieser Beschluss wurde in den Schleswig-Holsteinischen Anzeigen (Ausgabe August 2019, Seite 321, 325 ff.) veröffentlicht. Auf die dortigen Ausführungen wird Bezug genommen.
Mit Beschluss vom 18.09.2019 hat das Amtsgericht den Beweisbeschluss vom 28.05.2019 dahingehend abgeändert und ergänzt, dass nunmehr ein "stationäres, interprofessionelles, sozialpädagogisches und psychiatrisches Sachverständigengutachten" eingeholt werden soll. Des Weiteren wurde zur Sachverständigen ergänzend Frau H. (Psychiaterin) ernannt.
Eine Begründung dieser Entscheidung ist nicht erfolgt. Insbesondere wurden keine Ausführungen dazu gemacht, aus welchem Grunde nunmehr kein familienpsychologisches, sondern ein sozialpädagogisches und psychiatrisches Sachverständigengutachten erstellt werden sollte, ohne dass die Beweisfragen, die auf die Klärung psychologischer Aspekte gerichtet waren, geändert oder ergänzt wurden. Auch ist nicht ausgeführt, zu welchem Zweck die Psychiaterin H. zur weiteren Sachverständigen bestellt worden ist...