Leitsatz (amtlich)

1. Wird das Grundbuchamt bei der Eintragung als Vollstreckungsorgan tätig, hat es sowohl die vollstreckungsrechtlichen als auch die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen selbständig zu prüfen.

2. Das Vorliegen der allgemeinen Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen (Titel, Klausel, Zustellung) bestimmt sich nach der ZPO und ist durch Vorlage der Vollstreckungsunterlagen nachzuweisen. Gemäß § 724 ZPO wird die Zwangsvollstreckung aufgrund einer mit Vollstreckungsklausel versehenen Ausfertigung des Urteils (vollstreckbare Ausfertigung) durchgeführt. Die vollstreckbare Ausfertigung eines Urteils ist stets Papierurkunde.

3. Auf Grundlage einer elektronisch durch den Notar beglaubigten Abschrift einer vollstreckbaren Ausfertigung ist eine Zwangsvollstreckung nicht möglich. Daran ändert auch die Bestimmung des § 135 GBO zum elektronischen Rechtsverkehr nichts. Sie gilt nur für die grundbuchrechtlichen Voraussetzungen.

 

Normenkette

GBO § 135; ZPO § 724

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Grundbuchamtes des Amtsgerichts X vom 18. März 2022 wird zurückgewiesen.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.000.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin hat mit beglaubigtem Antrag vom 29. November 2021 - UR-Nr. ... des Notars E. in Y - die Löschung der im Grundbuch von Y Blatt a... in Abt. III Nr. ... und im Grundbuch von Y Blatt b... in Abt. III Nr. ... für P. eingetragenen Grundschulden in Höhe von 850.000 EUR und 150.000 EUR beantragt. Der beglaubigende Notar hat dazu auf elektronischem Wege eine von ihm elektronisch beglaubigte Abschrift einer vollstreckbaren Ausfertigung eines Versäumnisbeschlusses des Amtsgerichts X vom 12. April 2021 eingereicht, durch den der Grundschuldgläubiger verpflichtet worden ist, der Antragstellerin die Löschungsbewilligungen für die vorbezeichneten Grundschulden "in öffentlich beglaubigter Form (§ 29 GBO) zu überlassen". Ferner hat er die Grundschuldbriefe im Original nachgesendet.

Nach vorausgegangener Zwischenverfügung vom 15. Dezember 2021 hat das Grundbuchamt den Antrag durch Beschluss vom 18. März 2022, auf den Bezug genommen wird, zurückgewiesen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin. Sie macht geltend, ihr geschiedener Ehemann P. habe vor einer Scheidungsfolgenauseinandersetzung im Alleingang seine damaligen Miteigentumsanteile an den betroffenen Grundstücken mit den gegenständlichen Grundschulden belastet. Da ihm durch den eingescannten Beschluss die Überlassung der Löschungsbewilligungen in öffentlich beglaubigter Form aufgegeben worden sei, greife die gesetzliche Fiktion des § 894 ZPO. Die Auslegung des Titels ergebe, dass er zur Erteilung der Löschungsbewilligung, also zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt worden sei. Alle Notare seien gehalten, Urkunden als elektronische Dokumente einzureichen.

Das Grundbuchamt hat der Beschwerde mit Beschluss vom 24. Mai 2022 nicht abgeholfen.

II. Die gemäß § 71 Abs. 1 GBO zulässige Beschwerde ist aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Beschlusses unbegründet.

1. Mit Recht ist das Grundbuchamt davon ausgegangen, dass der vorgelegte Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts X vom 12. April 2021 nicht die Vorlage der Löschungsbewilligungen des Gläubigers in öffentlich beglaubigter Form zu den betroffenen Rechten ersetzt.

Wie das Grundbuchamt zutreffend ausgeführt hat, kommt hier eine Vollstreckung gemäß § 894 ZPO nicht in Betracht. Ist der Schuldner zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, so gilt danach die Erklärung als abgegeben, sobald das Urteil Rechtskraft erlangt hat.

Der Grundschuldgläubiger' ist in dem Versäumnisbeschluss nicht verpflichtet worden, die Löschung der vorbezeichneten Grundschulden "zu bewilligen", was die Verpflichtung zur Abgabe einer Willenserklärung wäre. Er ist vielmehr verpflichtet worden, der Antragstellerin "die Löschungsbewilligungen in öffentlich beglaubigter Form (§ 29 GBO) zu überlassen", mit anderen Worten zur Hergabe der Löschungsbewilligungen in einer bestimmten Form verurteilt worden. Das ist die Verpflichtung zur Vornahme einer nicht vertretbaren Handlung, die nur nach § 888 ZPO vollstreckt werden kann.

Zwar ist auch der Tenor in einem Vollstreckungstitel der Auslegung fähig, die bei unklaren Formulierungen gegebenenfalls unter Zuhilfenahme des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe erfolgen kann. Außerhalb des Titel liegende Umstände können wegen der Formalisierung des Zwangsvollstreckungsverfahrens dagegen nicht berücksichtigt werden. Insbesondere ist es für das Vollstreckungsverfahren unerheblich, welche sachlich-rechtlichen Ansprüche dem Gläubiger zustehen. Es ist nicht Aufgabe des Vollstreckungsorgans im Vollstreckungsverfahren das materielle Recht zur Grundlage seiner Maßnahmen zu machen und einem Gläubiger ohne entsprechenden Schuldtitel einen Zugriff in Vermögen Dritter zu gestatten (BGH WM 2010, 358,359). Allerdings kann das Prozessgericht, das als zuständiges Vollstreckungsorgan über eine Zwangsvollstreckungsmaßn...

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