Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmung des zuständigen Gerichts
Leitsatz (amtlich)
Die Verweisung des Insolvenzantrages einer GmbH durch das Gericht des eingetragenen Sitzes an das Gericht des Geschäftsführerswohnsitzes ist nicht in jedem Fall willkürlich.
Orientierungssatz
Verweisung des Insolvenzantrages an das Gericht des Geschäftsführerwohnsitzes
Normenkette
ZPO §§ 36, 281; InsO § 3
Verfahrensgang
AG Aachen (Aktenzeichen 19 IN 311/99) |
AG Schwarzenbek (Aktenzeichen 1 a IN 46/99) |
Tenor
Das Amtsgericht Aachen ist örtlich zuständig.
Gründe
Die Antragstellerin ist im Handelsregister mit dem Sitz in Berkenthin (Amtsgericht Schwarzenbek) eingetragen. Unter dem 1.06.1999 hat sie bei diesem Amtsgericht einen Insolvenzantrag gestellt. Darin hat sie als neuen „Verwaltungssitz” Wassenberg (Amtsgericht Aachen) angegeben und dazu ausgeführt, der Geschäftsführer habe sämtliche Geschäftsunterlagen von Berkenthin nach Wassenberg – dem Ort der Geschäftsführung – verbracht, um von dort aus das Insolvenzverfahren vorzubereiten. Eine Sitzverlegung sei nicht beschlossen worden. Nach entsprechender Ankündigung hat auf Antrag der Antragstellerin das Amtsgericht Schwarzenbek sich durch Beschluß vom 16.06.1999 für örtlich unzuständig erklärt und das Verfahren an das Amtsgericht Aachen verwiesen. Das Amtsgericht Aachen hat – ebenfalls nach entsprechender Ankündigung – sich durch Beschluß vom 7.07.1999 für örtlich unzuständig erklärt und das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht in Schleswig um Bestimmung des zuständigen Gerichts ersucht.
Die Vorlage ist nach §§ 36 Abs. 1 Nr. 6; Abs. 2, 37 ZPO; 4 KO zulässig. Sie führt dazu, daß das Amtsgericht Aachen zum zuständigen Gericht zu bestimmen ist. Der Senat hält den Verweisungsbeschluß vom 16.6.1999 für bindend (§ 281 Abs. 2 Satz 5 ZPO). Ein Ausnahmefall, in denen aus rechtsstaatlichen Gründen ein solcher Beschluß nach ständiger Rechtsprechung des BGH (NJW-RR 1990,708) nicht als verbindlich hingenommen werden kann, liegt nicht vor. Insbesondere ist die Verweisung hier nicht willkürlich. Die Auffassung des Amtsgerichts Schwarzenbek ist im Ergebnis vertretbar und deshalb nicht ohne jede rechtliche Grundlage. Die Regelung der örtlichen Zuständigkeit nach § 3 InsO entspricht im wesentlichen dem früher geltenden § 71 Abs. 1 und 2 KO. Der Begriff der gewerblichen Niederlassung wurde durch die präzisere Formulierung „Mittelpunkt einer selbständigen wirtschaftlichen Tätigkeit” ersetzt (Kübler/Prütting, 1994, zu § 3 InsO; Schmidt-Räntsch, 1995, zu § 3 InsO). Die zur früheren Regelung geltende Auffassung. daß – wenn die Gesellschaft ihren Betrieb am eingetragenen Sitz eingestellt, ihre Geschäftsräume aufgegeben, und der Geschäftsführer die Geschäftsbücher und Unterlagen an seinen Wohnsitz mitgenommen hat – dieser Ort auch der Ort der gewerblichen Niederlassung ist (Senatsbeschluß vom 18.03.1999 – 2 W 45/99; Kilger/Karsten Schmidt, 17. Auflage, 1997, § 71 KO Anm. 3) ist deshalb nach wie vor aktuell. Zwar könnte es vorliegend zweifelhaft sein, ob die Antragstellerin noch wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, weil sie am Wohnsitz des Geschäftsführers das Insolvenzverfahren vorbereiten will. Indessen ist es nicht abwegig – ob diese Auffassung weiterhin zutrifft, kann offenbleiben – diese Tätigkeit zumindest entsprechend zu behandeln und ihr den Vorrang vor dem eingetragenen Sitz (§ 17 ZPO) zu geben. Dafür spricht der Gedanke der Ortsnähe der jedenfalls noch ausgeübten Tätigkeit zum zuständigen Gericht, wie er auch in § 3 Abs. 1 Satz 2 InsO zum Ausdruck kommt. Nach allem kann die Verweisung nicht als willkürlich angesehen werden. Im Hinblick auf den Beschluß des OLG Düsseldorf vom 5.05.1999 (Bl. 23 ff. d.A.) – 19 Sa 32/99 – war eine Vorlage nach 36 Abs. 3 ZPO an den BGH nicht veranlaßt, da der Senat nicht in einer Rechtsfrage, sondern lediglich in der Beurteilung der Frage abweicht, ob ein Verweisungsbeschluss willkürlich ist.
Fundstellen
Haufe-Index 547842 |
DB 1999, 1897 |
NJW-RR 2000, 349 |
KTS 2000, 267 |
NZI 1999, 416 |
GmbHR 1999, 1041 |
OLGR-BHS 2000, 63 |