Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Wechselbezüglichkeit der jeweiligen Berufung des Ehepartners zum Alleinerben im gemeinschaftlichen Testament zu einer rd. zwei Jahre später gemeinsam getroffenen Schlusserbeneinsetzung
Leitsatz (amtlich)
1. Werden Verfügungen in zwei zeitlich nacheinander errichteten gemeinschaftlichen Testamenten aufgenommen, kann eine Wechselbezüglichkeit nur bei Vorliegen qualifizierter Voraussetzungen bejaht werden. Die Ehegatten müssen dazu nicht nur den Willen zur Zusammenfassung beider Testamente zum Ausdruck bringen, sondern zusätzlich hinsichtlich der früheren und der späteren Verfügung jeweils deutlich machen, dass auch inhaltlich von einem Abhängigkeitsverhältnis auszugehen ist und die frühere Verfügung entsprechend modifiziert werden soll.
2. Indiziell gegen eine Wechselbezüglichkeit spricht, wenn die beiden Verfügungen zeitlich deutlich auseinanderliegen und räumlich nicht miteinander verbunden sind. Auch eine entsprechende Willensbekundung des Längerlebenden nach dem Tod des Erstversterbenden kann für die Auslegung von Bedeutung sein.
Normenkette
BGB §§ 133, 2084, 2270; FamFG § 81
Verfahrensgang
AG Meldorf (Beschluss vom 03.06.2015; Aktenzeichen 44 VI 135/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 5. wird der Beschluss des AG Meldorf vom 03.06.2015 geändert:
Das Nachlassgericht wird angewiesen, den Erbschein vom 26.05.2014 einzuziehen.
Die Beteiligten zu 1. bis 4. tragen die Gerichtskosten beider Instanzen. Kostenerstattung findet nicht statt.
Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren beträgt 40.000 EUR.
Gründe
I. Die Erblasserin A war verheiratet mit dem am 04.07.2010 verstorbenen B. Nach dessen Tod wurde beim Nachlassgericht das handschriftliche Testament vom 25.05.1994 - unterschrieben von beiden Eheleuten - eingereicht, in dem es heißt:
"Wir, A und B, setzen uns gegenseitig zu Alleinerben ein."
Die Beteiligte zu 2. - sie ist wie die Beteiligte zu 1. eine Schwester des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin - teilte dem Nachlassgericht unter dem 21.09.2010 mit, die Erblasserin habe bei ihrem Erbscheinsantrag eine nicht richtige Versicherung an Eides statt insoweit geleistet, als sie angegeben habe, der Erblasser habe nur das oben genannte handschriftliche Testament als letztwillige Verfügung hinterlassen. Tatsächlich sei dieses Testament um einen Passus ergänzt worden, der besage, dass nach Ableben des letzthinterbliebenen Ehepartners die Erbmasse zu gleichen Teilen auf die Familien der beiden Eheleute aufgeteilt werden sollte.
Mit Schreiben des Notars X vom 14.10.2010 wurde eine notarielle Ergänzungsverhandlung eingereicht und zudem im Original ein weiteres von beiden Eheleuten unter dem 06.02.1996 unterzeichnetes handschriftliches Schriftstück mit folgendem Inhalt:
"Nachtrag
Nach dem Ableben des zuletzt verstorbenen Ehegatten geht das Vermögen je zur Hälfte an die Geschwister C, D und E, F
Die Erblasserin hat zur UR-Nr... des Notars X am 15.11.2011 ein Testament beurkunden lassen in dem es heißt:
" § 1
Ich widerrufe hiermit meine etwaigen früheren letztwilligen Verfügungen. Hierzu merke ich an, dass mein verstorbener Ehemann und ich uns darüber einig waren, dass der Testamentsnachtrag vom 6.2.1996 (AG Meldorf...) für den Längstlebenden von uns nicht verbindlich sein sollte. Der Längstlebende von uns sollte völlig frei sein, insbesondere auch von Todes wegen uneingeschränkt neu verfügen können.
§ 2
Zu meinen Erben setze ich zu gleichen Teilen ein 1. Meinen Bruder E 2. Meine Schwester F 3. Meine Cousine G 4. Herrn H."
Die Erblasserin verstarb am 11.02.2014. Die Ehe mit dem vorverstorbenen Ehemann ist kinderlos geblieben.
Die Beteiligte zu 1. stellte zur UR-Nr... der Notarin... einen Antrag auf Erteilung eines Erbscheins auf der Grundlage der handschriftlichen Testamente vom 25.05.1994 und 06.02.1996 dahingehend, dass die Erblasserin beerbt worden ist von den Beteiligten zu 1. - C - und 2. - D - (den Schwestern des vorverstorbenen Ehemanns der Erblasserin) und den Beteiligten zu 3. - E - und 4. - F - (den Geschwistern der Erblasserin) zu je 1/4. In dem Erbscheinsantrag wird ausgeführt, das ebenfalls eröffnete notarielle Testament vom 15.11.2011 stehe im Widerspruch zu dem handschriftlichen Testament vom 06.02.1996. Dort sei nicht vermerkt worden, dass der Längstlebende nach dem Tod des Erstverstorbenen nicht mehr an dieses Testament gebunden wäre. Deswegen werde das Testament vom 15.11.2011 gemäß § 2271 Abs. 2 BGB für unwirksam gehalten.
Der Erbschein wurde antragsgemäß unter dem 26.05.2014 erlassen.
Mit Schriftsatz des Notars X vom 11.12.2014 beantragte der Beteiligte zu 5. - H -, den gemeinschaftlichen Erbschein gemäß § 2361 BGB als unrichtig einzuziehen. Der Erbschein sei unrichtig, als dort die Geschwister der Erblasserin nämlich die Beteiligten zu 3. und 4. (E und F) als Erben zu 1/4 ausgewiesen seien. Die Erblasserin sei nicht nämlich nicht an der Errichtung des notariellen Testaments vom 15.11.2011 gehindert worden. Es sei davon auszugehen, dass der privatschriftliche test...