Verfahrensgang
AG Schleswig (Beschluss vom 06.01.2016; Aktenzeichen 94 F 345/15) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Kreises Schleswig-Flensburg (Jugendamt Abteilung Vormundschaftswesen) vom 18.1.2016 wird der Beschluss des AG - Familiengerichts - Schleswig vom 6.1.2016 hinsichtlich Ziffer 2 des Tenors wie folgt geändert:
Die Vormundschaft für den Jugendlichen wird der Stadt Neumünster, Fachdienst Allgemeiner Sozialer Dienst Abteilung Amtsvormundschaften/Amtspflegschaften, Plöner Straße 2, 24534 Neumünster übertragen.
Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben. Ihre außergerichtlichen Auslagen haben die Beteiligten jeweils selbst zu tragen.
Gründe
I. Der Jugendliche Faiz N. (geb. 10.4.1999, afghanischer Herkunft, Sprache Dari) ist am 16.12.2015 als unbegleiteter minderjähriger Ausländer (UMA) von der Bundespolizei in der Erstaufnahmeeinrichtung in Neumünster aufgegriffen und von der Jugendhilfeeinrichtung SterniPark in Satrupholm in Obhut genommen worden. Nach derzeitigen Erkenntnissen hat der Jugendliche - bis auf seine beiden, ebenfalls minderjährigen Freunde Hidary K. und Mohammad B. - keinerlei Verwandte in der Bundesrepublik Deutschland. Faiz N. stammt aus Kundus/Afghanistan und soll dort zusammen mit seinen acht Geschwistern insgesamt neun Jahre lang zur Schule gegangen sein. Etwa Mitte 2015 hat er sich - mit finanzieller Unterstützung seiner Eltern - auf die Flucht begeben. Im Rahmen seiner Anhörung am 5.1.2016 hat er angegeben, dass er sehr gerne Fußball spielt und auf gar keinen Fall nach Afghanistan zurückkehren möchte.
Der zuständige Jugendhilfeträger SterniPark war bemüht, für Faiz einen DATS-Kurs zu organisieren. Da inzwischen das Clearingverfahren abgeschlossen ist, handelte es sich nicht mehr um eine vorläufige sondern um eine reguläre Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII.
Das AG Schleswig hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 6.1.2016 festgestellt, dass die elterliche Sorge ruht (§ 1674 Abs. 1 BGB). Gleichzeitig ist das Jugendamt des Kreises Schleswig-Flensburg gemäß §§ 1773, 1774 BGB i.V.m. § 88 Abs. 2 S. 1 SGB VIII zum zuständigen Amtsvormund bestellt worden. Zur Begründung hat das AG ausgeführt, dass die örtliche Zuständigkeit des Jugendamtes in Schleswig auch aus Gründen des Kindeswohls anzunehmen sei. Der ASD der Stadt Neumünster sei gerichtsbekannt vollkommen überlastet und derzeit nicht in der Lage, die Aufgaben bei der Betreuung von minderjährigen Flüchtlingen, zumal wenn diese nicht im eigenen Bezirk untergebracht seien, zu erfüllen.
Gegen diesen Beschluss hat der Kreis Schleswig-Flensburg mit Schreiben vom 18.1.2016 Beschwerde eingelegt. Das Jugendamt Schleswig (Abteilung Vormundschaftswesen) sei gemäß § 88a Abs. 4 SGB VIII örtlich unzuständig. Der Jugendliche sei nach Abschluss des Clearingverfahrens nicht gemäß § 42b SGB VIII dem Kreis Schleswig-Flensburg zugewiesen worden. Nach dem Gesetzeszweck soll gerade ein Auseinanderfallen der örtlichen Zuständigkeit des Kostenträgers und des für die Amtsvormundschaft zuständigen Trägers vermieden werden. Auch der Fachdienst des Kreises Schleswig-Flensburg sei personell nicht so aufgestellt, dass die sorgfältige Führung von Vormundschaften für alle im Kreisgebiet untergebrachten unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge gewährleistet werden könne. Eine Kindeswohlgefährdung läge auch dann nicht vor, wenn das Jugendamt Neumünster die Vertretung des Jugendlichen wahrnehmen würde.
Das Jugendamt der Stadt Neumünster (Abteilung Amtsvormundschaften/Pflegschaften) hat mit Schreiben vom 5.2.2016 mitgeteilt, dass in diesem Fall eine Zuweisungsentscheidung gemäß § 42b Abs. 3 SGBVIII wegen Erkrankung des Jugendlichen nach § 42b Abs. 3 und Abs. 4 SGBVIII ausgeschlossen worden sei. Deshalb sei das Jugendamt der Stadt Neumünster - Abteilung Amtsvormundschaften - gemäß § 88a Abs. 4 Nr. 2 SGBVIII auch für die Vormundschaft örtlich zuständig. Allerdings sei das Gericht nicht an die Vorschriften der örtlichen Zuständigkeit gemäß § 88a SGBVIII gebunden, sondern könne aus sachlichen Gründen auch ein anderes, geeignetes Jugendamt zum Vormund bestellen.
Der Jugendhilfeträger SterniPark hat am 2.2. telefonisch mitgeteilt, dass der Jugendliche bereits seit dem 23.1.2016 die Einrichtung verlassen habe. Der derzeitige Aufenthalt des Jugendlichen sei unbekannt. Trotz wiederholter telefonischer Aufforderungen des Berichterstatters hat SterniPark die Umstände des Entweichens des Jugendlichen aus der Einrichtung weder schriftlich bestätigt noch dargelegt.
II. Die Beschwerde des Kreises Schleswig-Flensburg ist gemäß §§ 58, 63 FamFG zulässig. Die Beschwerdefrist ist eingehalten.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Von einer mündlichen Verhandlung hat der Senat gemäß § 68 Abs. 3 FamFG abgesehen, weil die Beteiligten sich jeweils schriftlich geäußert haben, eine Anhörung bereits im ersten Rechtszug im Termin am 5.1.2016 stattgefunden hat und von einer erneuten Anhörung keine zusätzlichen Erkenntnisse mehr zu erwarten sind.
Die Beschwerde richtet sich nicht gegen die Anordnung...