Leitsatz (amtlich)

Bei pflichtwidrig verzögerter Entscheidung über einen Pkh-Antrag für eine Widerklage kann Pkh auch nach Erledigung der Hauptsache durch außergerichtlichen Vergleich noch in der Beschwerdeinstanz bewilligt werden, und zwar für das Pkh-Verfahren im ersten Rechtszug.

 

Orientierungssatz

Pkh-Gewährung nach Abschluss Erledigung der Hauptsache.

 

Normenkette

ZPO §§ 114 ff.

 

Beteiligte

Rechtsanwälte Dr. Küchenmeister und Partner

Rechtsanwälte Dr. Elsner, Zarnekow, Soblik, Dr. Wolter, Rüping und Dr. Hansen

Rechtsanwälte Kellner und Partner

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Aktenzeichen 9 O 169/99)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird geändert.

Dem Beklagten wird für das erstinstanzliche Verfahren auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die beabsichtigte Widerklage (Antrag vom 5./6. Juni 2000) Prozeßkostenhilfe bewilligt.

Rechtsanwalt Vieth in Lübeck wird beigeordnet.

Der Beklagte hat sich an den Kosten des Verfahrens zu beteiligten. Die Höhe der Monatsraten, die auf gesonderte Aufforderung der Landeskasse zu zahlen sind, wird auf je 90,– DM festgesetzt.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die Beschwerde des Beklagten ist zulässig und begründet.

Die Widerklage hatte zum maßgebenden Zeitpunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg (§ 114 ZPO).

Maßgebend für die Beurteilung der Erfolgsaussicht ist grundsätzlich, ob der Prozeßkostenhilfeantrag nach dem Sach- und Streitstand zur Zeit der Entscheidung über den Antrag – bezogen auf den Zeitpunkt der Antragstellung – hinreichende Aussicht auf Erfolg hatte (Münchener Kommentar/Wax, ZPO, § 114 Rn. 71 f; Zöller/Philippi, ZPO, 22. Aufl., § 119 Rn. 45 f). Das gilt im Falle einer pflichtwidrigen Verzögerung der Entscheidung über den Prozeßkostenhilfeantrag insbesondere auch dann, wenn die Instanz, für die Prozeßkostenhilfe beantragt wird, – wie hier – bereits abgeschlossen ist und wenn sich die Hauptsache erledigt hat – wie im vorliegenden Fall die Widerklage durch den Vergleich der Parteien vom 29. Januar 2001 und die anschließende Berufungsrücknahme des Beklagten (vgl. Zöller/Philippi aaO. Rn. 46).

Eine pflichtwidrig verzögerte Bearbeitung des Antrages des Beklagten auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe für die Widerklage ist hier zu bejahen. Der mit Schriftsatz vom 5. Juni 2000 ordnungsgemäß gestellte Prozeßkostenhilfeantrag des Beklagten ist bereits am 6. Juni 2000 und damit rechtzeitig vor dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 21. Juni 2000 beim Landgericht eingegangen. Darüber hätte das Landgericht vor der mündlichen Verhandlung entscheiden können und müssen. Dabei ist unerheblich, daß das Landgericht die von dem Beklagten begehrte Prozeßkostenhilfe letztlich versagt hat. Denn bei rechtzeitiger Entscheidung über seinen Prozeßkostenhilfeantrag hätte der Beklagte die Möglichkeit gehabt, sein Begehren rechtzeitig mit einer Beschwerde gegen den Prozeßkostenhilfe versagenden Beschluß weiterzuverfolgen, auf diesem Wege Prozeßkostenhilfe zu erhalten und die Widerklage bereits im ersten Rechtszug zu erheben. Diesen Weg hätte das Landgericht dem Beklagten notfalls durch eine Vertagung der mündlichen Verhandlung eröffnen müssen, um zu verhindern, daß sich die Bedürftigkeit des Beklagten zu seinem Nachteil auswirkte. Wenn der Beklagte vermögend gewesen wäre, hätte er die Widerklage mit seinem Schriftsatz vom 5. Juni 2000 rechtzeitig erheben und so eine erstinstanzliche Entscheidung über seine Widerklage herbeiführen können. Diese Möglichkeit ist dem Beklagten nach Lage der Dinge nur deshalb versagt geblieben, weil er bedürftig war und ist. Entsprechende Rechtsnachteile eines Bedürftigen sollen durch die Vorschriften über die Prozeßkostenhilfe gerade vermieden werden.

Dem Beklagten ist deshalb Naturalrestitution in Form einer nachträglichen Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zu leisten (vgl. Zöller/Philippi aaO., Rn. 46). Diese Naturalrestitution kann nur noch in der Weise erfolgen, daß dem Beklagten für das Prozeßkostenhilfeverfahren im ersten Rechtszug Prozeßkostenhilfe bewilligt wird, weil der Beklagte seine Widerklage nach dem Abschluß des ersten Rechtszuges und zwischenzeitlich eingetretener Erledigung des Rechtsstreits nicht mehr vor dem Landgericht erheben kann.

Für das Prozeßkostenhilfeverfahren selbst kann zwar grundsätzlich keine Prozeßkostenhilfe bewilligt werden. Etwas anderes gilt nach zutreffender Auffassung aber dann, wenn sich die Hauptsache – wie hier – im Prozeßkostenhilfeverfahren durch einen Vergleich erledigt (vgl. Zöller/Philippi aaO., § 118 Rn. 8; OLG Schleswig SchlHA 1984, 149). Denn eine solche Art der Erledigung kann der Partei, die einen Anspruch auf Prozeßkostenhilfe hat, kostenmäßig nicht zum Nachteil gereichen. Anderenfalls wäre die Partei im Hinblick auf § 51 BRAGO gezwungen, einen Vergleich zunächst abzulehnen, weiterhin für die Hauptsache Prozeßkostenhilfe zu verlangen und nach deren Bewilligung den Vergleich zu erhöhten Kosten (§ 31 BRAGO) zu schließen; dann würden die ermäßigten Gebühren des ...

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