Entscheidungsstichwort (Thema)

Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens bei vorzeitiger Klageerhebung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein nach § 485 Abs. 2 ZPO betriebenes selbständiges Beweisverfahren wird unzulässig, wenn der Antragsteller vor seiner Beendigung Klage zur Hauptsache erhebt.

2. In einem solchen Falle ist das selbständige Beweisverfahren durch Beschluss einzustellen und die Sache an das Prozessgericht abzugeben.

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Beschluss vom 20.07.2004; Aktenzeichen 6 OH 19/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Antragsgegners zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I.1. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist gem. §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 252 ZPO statthaft.

Der angefochtene Einstellungsbeschluss bewirkt einen dauerhaften Stillstand des Verfahrens, ohne dass die Anhängigkeit durch Antragsrücknahme beendet wäre. Ein eingestelltes Verfahren kann auch wieder aufgenommen werden, etwa wenn der Einstellungsgrund nachträglich wegfällt. Auch kann streitig sein, ob ein Einstellungsgrund überhaupt vorliegt. Deshalb ist es geboten, auch dem Antragsgegner das in § 252 ZPO vorgesehene Rechtsmittel zu gewähren. Zwar ist für den Antragsgegner ein stattgebender Beschluss nach § 490 ZPO nicht anfechtbar (Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 490 ZPO Rz. 2). Dasselbe gilt jedoch nicht für eine auf Antrag des Antragstellers ausgesprochene Einstellung des Verfahrens. Die Entscheidung wäre nur dann unanfechtbar, wenn das Gesetz dem Antragsteller ein entsprechendes Antragsrecht zubilligte, § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO. Das ist nicht der Fall. Der Antrag des Antragstellers war nur eine Anregung an das Gericht, eine von Amts wegen gebotene oder erlaubte Entscheidung aufgrund der durch die Klagerhebung des Antragstellers entstandenen Verfahrenslage im selbständigen Beweisverfahren zu treffen. Eine solche Einstellung des Verfahrens ohne Kostenentscheidung greift in die durch seine Verfahrensbeteiligung gewachsene Rechtsposition des Antragsgegners ein, die er zur Wahrung seiner Interessen durch das Beschwerdegericht überprüfen lassen können muss. Dafür hat er schon wegen seines Kosteninteresses ein berechtigtes Rechtsschutzbedürfnis.

Die sofortige Beschwerde ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO. Der zur Entscheidung berufene Einzelrichter hat das Verfahren dem Senat zur Entscheidung in der im Gerichtsverfassungsgesetz vorgeschriebenen Besetzung übertragen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO. Die Frage, wie im selbständigen Beweisverfahren vorzugehen ist, wenn eine der Parteien noch vor Beendigung des Verfahrens in derselben Hauptsache Klage erhebt, ist in der Rechtssprechung umstritten und bedarf höchstrichterlicher Entscheidung.

2. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet. Der angefochtene Einstellungsbeschluss ist zu Recht ergangen. Der Antragsteller war nicht genötigt, seinen Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens mit der Kostenfolge aus § 269 Abs. 3 ZPO analog zurückzunehmen, nachdem er vor dessen Beendigung Klage zur Hauptsache erhoben hat. Der angefochtene Einstellungsbeschluss stellt eine zulässige Feststellung der durch Klageerhebung entstandenen Verfahrenslage im selbständigen Beweisverfahren dar, ohne dass dadurch berechtigte Interessen des Antragsgegners beeinträchtigt werden.

a) Das selbständige Beweisverfahren ist nach Klagerhebung des Antragstellers unzulässig geworden. Ein nach § 485 Abs. 2 ZPO betriebenes selbständiges Beweisverfahren setzt nämlich voraus, dass über den Sachverhalt, der Gegenstand des beantragten selbständigen Beweisverfahrens ist, noch kein Rechtsstreit anhängig ist. Wird nach Anordnung des selbständigen Beweisverfahrens i.S.d. § 485 Abs. 2 ZPO in derselben Sache Klage erhoben, entfällt die Zulässigkeit des Verfahrens (Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 485 ZPO Rz. 7). So liegt es hier. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen für eine Fortsetzung des Verfahrens nach § 485 Abs. 1 ZPO liegen nämlich, jedenfalls jetzt, nicht mehr vor.

b) Die Klageerhebung stellte an sich einen Fall der Erledigung der Hauptsache des selbständigen Beweisverfahrens dar, wenn auf dieses Verfahren die Regeln des Zivilprozesses in vollem Umfange anwendbar wären. Es entspricht indes der zutreffenden Ansicht, dass auf das selbständige Beweisverfahren die Regeln über die Erledigung der Hauptsache nicht anwendbar sind. § 91a ZPO setzt einen Rechtsstreit zwischen den Parteien voraus. Das selbständige Beweisverfahren ist kein Rechtsstreit, zielt auf keine Entscheidung in der Sache und dient lediglich der vorgezogenen Klärung von streitigen Tatsachen, die in einem künftigen Rechtsstreit von Bedeutung sein können. Deshalb ist weder eine einseitige noch eine übereinstimmende Erledigungserklärung mit einer Kostenentscheidung aus § 91a ZPO zulässig (zum Streitstand Zöller/Vollkommer, ZPO, 24. Aufl., § 91a ZPO Rz. 58 "selbständiges Beweisverfahren").

Das folgt aus dem Grundsatz, dass im selbständigen Beweisverfa...

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