Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Umfang der öffentlich-rechtlichen Aufgabe des Durchgangsarztes
Leitsatz (amtlich)
1. Der öffentlich-rechtlichen Aufgabe des Durchgangsarztes ist nicht nur die durchgangsärztliche Entscheidung für die allgemeine bzw. besondere Heilbehandlung, sondern auch die vorgreifliche Diagnosestellung mit den vorbereitenden Maßnahmen sowie die Erstversorgung des Betroffenen und damit diejenigen Maßnahmen der öffentlich-rechtlichen Aufgabe des Durchgangsarztes zuzuordnen, die regelmäßig in einem engen inneren Zusammenhang zu der durchgangsärztlichen Entscheidung stehen und die aus der Sicht des Betroffenen einen einheitlichen Lebenssachverhalt darstellen und nicht sinnvoll auseinandergehalten und haftungsrechtlich aufgespalten werden können (BGHZ 213, 120).
2. Erleidet der Zahnarzt einen Arbeitsunfall, indem er mit dem Bohrer in seinen Ellenbogen gerät und die Bohrerspitze dabei abbricht, zählt die sogleich ambulant durchgeführte operative Entfernung der Spitze durch den Durchgangsarzt zur Erstversorgung und geschieht damit in Ausübung eines öffentlichen Amtes. Für Ansprüche wegen behaupteter Behandlungs- und Aufklärungsfehler ist mithin die Berufsgenossenschaft passivlegitimiert, nicht der Durchgangsarzt oder der Klinikträger.
3. Zieht der Durchgangsarzt bei der Erstversorgung einen anderen Arzt hinzu, bleibt es - auch bezogen auf den weiteren Arzt - bei öffentlich-rechtlichem Handeln.
Normenkette
BGB § 839; GG Art. 34; SGB VII § 27 Abs. 1, § 34 Abs. 1 S. 1
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 24.05.2018, Aktenzeichen 4 O 49/17, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Itzehoe und dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 31.200,-EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Itzehoe vom 24.05.2018, Aktenzeichen 4 O 49/17, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zum Sachverhalt und zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 15.03.2019 (Bl. 195 ff. d. A.) Bezug genommen. Dort hat der Senat das Folgende ausgeführt:
"Die Parteien streiten um Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten für weitere zukünftige Schäden.
Zum Sachverhalt wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen, § 540 Abs. 1 Satz 1 Ziffer 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Beklagten nicht passivlegitimiert seien.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Der Kläger wendet sich mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung gegen die Abweisung der Klage. Er führt zur Begründung im Wesentlichen Folgendes aus:
Die strittige ärztliche Behandlung des Klägers sei nicht in Ausübung eines öffentlichen Amtes erfolgt. Auch wenn die Tätigkeit eines Durchgangsarztes nicht in vollem Umfang dem Privatrecht zugeordnet werde, ergebe sich aus den Entscheidungen des Bundesgerichtshofes vom 29.11.2016 - VI ZR 208/15 und vom 20.12.2016 - VI ZR 395/15 nicht, dass eine beinahe 2-stündige, durch zwei Ärzte (Assistenzarzt und Oberarzt) vorgenommene Bergung eines Fremdkörpers (unter Durchleuchtungskontrolle) eine Erstversorgung gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII durch den Durchgangsarzt darstellen würde mit der Folge, dass der Unfallversicherungsträger für etwaige Fehler in diesem Bereich hafte.
Es habe hier keine "sofort notwendige Erstversorgung" vorgelegen, nicht einmal ein Notfall. Der Patient sei geordnet und in Ruhe (selber) in die Klinik gefahren und habe zu diesem Zeitpunkt nicht einmal Schmerzen gehabt. Grund für seine Vorstellung in der Klinik sei die Überlegung gewesen, dass einerseits der Fremdkörper entfernt werden möge, aber andererseits auch eine entsprechende Wundtoilette gemacht werde. Es habe keine irgendwie geartete Eilbedürftigkeit vorgelegen.
Außerdem könne es nicht richtig sein, die hier vorgenommene 2-stündige Fremdkörperexstirpation so zu behandeln wie die den zur Begründung herangezogenen Entscheidungen des Bundesgerichtshofes zugrundeliegenden fehlerhaft durchgeführten "Eingangsuntersuchungen" der verunfallten Patienten mit einem Brustwirbelbruch ...