Entscheidungsstichwort (Thema)
Entzug von Gebrauchsvorteilen an Kellerräumen; Verzicht auf Rückforderungsanspruch aus § 812 Abs. 1 BGB
Leitsatz (amtlich)
1. Der zeitweise Entzug von Gebrauchsvorteilen an den Kellerräumen eines Doppelhauses oder am Garten stellt keinen ersatzfähigen Schaden i.S.v. § 249 S. 2 BGB dar.
2. Der Rückforderungsanspruch gem. § 812 Abs. 1 S. 1 BGB ist gem. § 242 BGB auch dann ausgeschlossen, wenn das Verhalten des Leistenden nach dem allgemein im Rechtsverkehr geltenden Grundsatz von Treu und Glauben als Verzicht auf das Recht zu werten ist. Ein solcher Fall ist dann gegeben, wenn der Leistende dem Empfänger zu erkennen gegeben hat, dass diesem das Geleistete selbst im Falle des Nichtbestehens der Verpflichtung verbleiben soll.
Normenkette
BGB §§ 242, 249 S. 2, § 812 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Lübeck (Aktenzeichen 10 O 516/98) |
Tenor
Auf die Berufung der Kläger wird das am 18.5.2000 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des LG Lübeck teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 20.147,04 DM nebst 4 % Zinsen auf 8.882,04 DM seit dem 3.6.1998 und auf 11.265 DM seit dem 23.6.1998 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Kläger 26 % und die Beklagte 74 %. Von den Kosten des Berufungsrechtzuges tragen die Kläger 20 % und die Beklagte 80 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Beschwer der Kläger beträgt 2.816,25 DM, die der Beklagten 11.265 DM.
Gründe
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Die zulässige Berufung der Kläger ist nur zum Teil begründet. Mit der Berufung wenden sich die Kläger mit Erfolg gegen die vom LG zuerkannte Hilfsaufrechnung i.H.v. 11.265 DM, ohne Erfolg jedoch gegen die vom LG nicht zuerkannte Nutzungsausfallentschädigung für Kellerräume und Garten (wovon im zweiten Rechtszug nur 1.649,59 DM für den Keller und 1.166,66 DM für den Garten im Streit sind).
Die umstrittenen Fragen, ob die Beklagte angesichts der Haftungsbeschränkung in Ziff. V 6d) des notariellen Kaufvertrages (nur für Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit) überhaupt dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist und ob der hier geltend gemachte Nutzungsausfallanspruch verjährt ist, können letztlich offen bleiben, denn die begehrte Nutzungsausfallentschädigung für Kellerräume und Garten steht den Klägern schon aus Gründen des Schadensrechtes nicht zu.
Der große Zivilsenat des BGH hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 9.7.1986 (BGH v. 9.7.1986 – GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 ff. = MDR 1987, 109) entschieden, dass auch bei Sachen, auf deren ständige Verfügbarkeit der Berechtigte für die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen ist, der deliktische Eingriff in den Gegenstand des Gebrauchs einen ersatzfähigen Vermögensschaden begründen kann. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Rechtsprechung überwiegend die Ersatzpflicht für entgangene Gebrauchsvorteile bei anderen Gegenständen als Kraftfahrzeugen verneint (Palandt/Heinrichs, BGB, 60. Aufl. vor § 249 Rz. 25 u. 26 m.w.N.). Der BGH (BGH v. 9.7.1986 – GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 [219] = MDR 1987, 109) hat ausgeführt, dass das Gesetz im Hinblick auf § 252 BGB nicht grundsätzlich Nutzungsersatz für Einbußen von Wirtschaftsgütern im eigenwirtschaftlichen Einsatz verbiete. Auch die verbleibenden Bewertungsschwierigkeiten für solche Ausfälle in der eigenwirtschaftlichen Verwendung einer Sache würde nicht grundsätzlich einen Ausschluss der entsprechenden Nutzungsausfallentschädigung rechtfertigen (BGH v. 9.7.1986 – GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 [222] = MDR 1987, 109). Die Nutzungsausfallentschädigung müsse aber auf solche Sachen beschränkt bleiben, auf deren ständige Verfügbarkeit die eigenwirtschaftliche Lebenshaltung typischerweise angewiesen sei. Eine weitergehende Erstreckung des Ersatzes liefe Gefahr, unter Verletzung des § 253 BGB den Ersatz auf Nichtvermögensschäden auszudehnen (BGH v. 9.7.1986 – GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 [222] = MDR 1987, 109).
Unter Berücksichtigung dieser Maßstäbe stellt der Entzug von Gebrauchsvorteilen weder an den Kellerräumen noch am Garten einen ersatzfähigen Vermögensschaden i.S.v. § 249 S. 2 BGB dar. Nicht jeder Nachteil bedeutet automatisch einen Vermögensschaden i.S.v. § 249 BGB. In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um ein komfortabel ausgestattetes Wohnhaus dessen vollständige Nutzung dem Geschädigten für ca. einen Monat untersagt worden war. Der BGH hat weiter ausgeführt, dass zwar der vollständige zeitweise Verlust des Wohngebrauchs eines selbst bewohnten Hauses grundsätzlich zur Entschädigung der entgangenen Gebrauchsvorteile berechtige, für kurzfristige Gebrauchsbeeinträchtigungen, die der Geschädigte bei wirtschaftlich vernünftiger Betrachtung durch zumutbare Umdispositionen auffangen könne, möge jedoch die Entschädigungslosigkeit gerechtfertigt sein (BGH v. 9.7.1986 – GSZ 1/86, BGHZ 98, 212 [224] = MDR 1987, 109). Aus di...