Entscheidungsstichwort (Thema)

Titulierte Kostenforderung im Insolvenzverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

Eine durch Kostenfestsetzungsbeschluss titulierte Kostenforderung gegen den späteren Gemeinschuldner erstarkt nicht zur Masseverbindlichkeit, wenn der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Rechtsstreit in einer höheren Instanz aufnimmt und die titulierte Kostenforderung durch den weiteren Prozessverlauf keine Änderung erfährt.

 

Normenkette

InsO §§ 38, 55; ZPO §§ 727, 732

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Beschluss vom 11.09.2009; Aktenzeichen 6 O 69/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers gegen den Beschluss des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Lübeck vom 11.9.2009 wird auf seine Kosten nach einem Beschwerdewert von 4.360 EUR zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Die Fa. N aus Hamburg hat gegen Herrn R aus Lübeck vor den Zivilgerichten einen Bauprozess geführt. In den beiden Tatsacheninstanzen hat die Fa. N obsiegt. Im Laufe des von Herrn R angestrengten Revisionsverfahrens ist über das Vermögen beider Parteien des Bauprozesses das Insolvenzverfahren eröffnet worden, und zwar bzgl. Herrn Rl am 11.7.2006 durch Beschluss des AG Eutin (...) und bzgl. der N durch Beschluss des AG Schwerin (...) am 1.2.2008. Mit Schriftsatz vom 16.2.2007 hat der Schuldner als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn R den Prozess in der Revisionsinstanz aufgenommen. Durch Urteil vom 6.12.2007 hat der BGH die Revision des Schuldners zurückgewiesen.

Durch den unangegriffenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24.11.2004 (6 O 69/02 LG Lübeck) sind die von Herrn R an die Fa. N in I. Instanz zu erstattenden Kosten auf 4.360 EUR festgesetzt worden. Die Kosten für die Rechtsmittelinstanzen sind jeweils durch gesonderte Beschlüsse festgesetzt worden.

Am 7.7.2008 erhielt der Gläubiger bzgl. des Kostenfestsetzungsbeschlusses vom 24.11.2004 eine auf ihn lautende Vollstreckungsklausel. Auf die dagegen erhobene Erinnerung des Schuldners vom 20.7.2009, der die Rechtspflegerin nicht abgeholfen hatte, hat das Gericht durch Beschluss vom 11.9.2009 die Zwangsvollstreckung aus der für den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Lübeck vom 24.11.2004 am 7.7.2008 erteilten Vollstreckungsklausel für unzulässig erklärt. Der dagegen erhobenen sofortigen Beschwerde des Gläubigers hat das LG nicht abgeholfen und die Sache dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.

II. Die gem. den §§ 793, 732 567 Abs. 1 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde des Gläubigers hat in der Sache keinen Erfolg.

Zu Recht hat der Richter der Erinnerung des Schuldners abgeholfen und die Zwangsvollstreckung aus der von der Rechtspflegerin zugunsten des Gläubigers als Insolvenzverwalter der N verfügten Vollstreckungsklausel vom 7.7.2008 bzgl. des Kostenfestbeschlusses vom 24.11.2004 für unzulässig erklärt. Die Voraussetzungen für eine Titelumschreibung gem. § 727 Abs. 1 ZPO haben nämlich nicht vorgelegen. Die mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24.11.2007 rechtskräftig festgesetzten erstinstanzlichen Verfahrenskosten sind hier einfache Insolvenzschulden und keine Masseverbindlichkeiten (§§ 38, 55 InsO). Für den Insolvenzgläubiger kann deshalb eine vollstreckbare Ausfertigung gegen den Insolvenzverwalter des Schuldners nicht erteilt werden (Zöller/Stöber, ZPO, 27. Aufl., § 727 Rz. 18).

In Rechtsprechung und Literatur ist allerdings umstritten, ob im Falle der Aufnahme des Rechtsstreits durch den Insolvenzverwalter der Kostenerstattungsanspruch des Gegners insgesamt als Masseverbindlichkeit (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) oder hinsichtlich der vor Verfahrenseröffnung bereits vollendeten Gebührentatbestände nur als Insolvenzforderung (§ 38 InsO) zu behandeln ist (vgl. BGH NJW-RR 2007, 397 f. - 9. ZS; Rz. 10 - 14 nach juris; BGH NJW-RR 2005, 356 f. - 3. ZS - Rz. 8 f. nach juris jeweils mit umfangreichen Nachweisen; BFH ZIP 2002, 2225 f. Rz. 15 nach juris). Nach der herkömmlichen, noch zur Konkursordnung entwickelten Auffassung ist die Kostentragungspflicht des Insolvenzverwalters voll umfänglich, also auch hinsichtlich der vor Unterbrechung (§ 240 ZPO) entstandenen Kosten, eine Masseschuld. Dies wird damit begründet, dass der Insolvenzverwalter mit der Fortführung des Prozesses zur Hauptsache das einheitliche Kostenrisiko des Schuldners auf die Masse übernehme. Auch praktische Gesichtspunkte sprächen dafür: Die Gerichts- und Anwaltsgebühren deckten, soweit es sich um Verfahrensgebühren handelte, nicht einzelne, sondern eine Gesamtheit gleichartiger Tätigkeiten und Prozesshandlungen ab (vgl. BGH NJW-RR 2007, a.a.O., Rz. 13 nach juris). Die Gegenauffassung sieht in der einheitlichen Kostentragungspflicht im Anwendungsbereich der Insolvenzordnung einen Wertungswiderspruch zu der in § 105 InsO getroffenen Regelung. Diese Vorschrift verhindere bei teilbaren Leistungen eine insolvenzrechtlich unerwünschte und sachlich nicht gerechtfertigte Privilegierung des Gläubigers, der eine teilbare Leistung schulde, und eine entsprechende Benachteiligung der übrigen Insolvenzgläubiger (v...

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