Leitsatz (amtlich)
Das selbständige Beweisverfahren in Arzthaftungssachen unterliegt keinen erweiterten Zulässigkeitsvoraussetzungen
Orientierungssatz
Selbständiges Beweisverfahren in Arzthaftungssachen
Normenkette
ZPO § 485 Abs. 2
Tenor
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zu folgenden Fragen wird angeordnet:
- Waren die valgisierende Tibiakopf-Umstellungsosteotomie links mit 10 Grad bzw. 20 Grad Korrektur in der HTO-Technik un ddie distale Fibula-Schrägosteotomie am 20.05.1997 unter Berücksichtigung der Operationsdiagnose und Vorbefunde des Antragstellers medizinisch indiziert? Bestanden in der Tibiakopf-Umstellungsosteotomie und/oder in der Fibula-Schrägosteotomie ein vermeidbares Risiko?
- Wäre der konservative stationäre Behandlungsversuch eine nach Nutzen-Risiko-Abwägung ernsthafte, gleich oder mehr erfolgversprechende, weniger risikobehaftete Behandlungsalternative gewesen?
- Wurde die Tibiakopf-Umstellungsosteotomie links mit 10 Grad bzw. 20 Grad Korrektur in der HTO-Technik entsprechend dem guten medizinischen Standard des Fachs durchgeführt?
- Wurde die distale Fibula-Schrägosteotomie links entsprechend dem guten medizinischen Standard des Fachs durchgeführt?
- Auf welche Ursache(n) ist die im postoperativen Röntgenbild und durch Revision am 05.1997 objektivierte duetliche mediale Instabilität des linken Kniegelenkes mit deutlichem Aufklaffen des medialen Osteotomiespaltes zurückzuführen?
- Durch welche Maßnahme(n) hätte das Aufklaffen des Osteomiespaltes und die mediale Instabilität mit Wahrscheinlichkeit vermieden werden können?
- Auf welche Ursache(n) ist es zurückzuführen, daß die Fibulafragmente (Fibulaenden) in der Frontalebene um ca. 1 cm bzw. longitudinal in der a.p. Aufnahme um ca. 2 Bild-cm verschoben sind? Worauf ist die mangelnde Callusbildung und unvollständige knöcherne Durchbauung in diesem Bereich zurückzuführen?
- Durch welche Maßnahme(n) hätte das Verschieben der Fibulaenden und die mangelnde knöcherne Durchbauung in diesem Bereich mit Wahrscheinlichkeit vermieden werden können?
- Wodurch sind die zeitweise elektrisierend einschießenden und ausstrahlenden Schmerzen in Höhe der distalen Fibula-Osteotomie ursächlich zurückzuführen?
- Bestand eine medizinische Indikation für die am 05.1997 durchgeführte chirurgische Revision im allgemeinen? War im besonderen die durchgeführte Revision mittels medialer Stabilisierung durch mediale Verplattung des Tibiakopfes medizinisch indiziert?
- Gab es gleichermaßen zu erwägende oder auch erfolgversprechende konservative oder operative Alternativen zu der am 05.1997 durchgeführten Revision?
- Ist die postoperative mediale Instabilität des linken Kniegelenkes reversibel? Wenn ja, welche chirurgischen oder/und konservativen Maßnahmen wären unter besonderer Berücksichtigung der Vorbefunde des Antragstellers noch medizinisch indiziert, um vollständige Beschwerdefreiheit bzw. den Beschwerdestatus quo ante 05.1997 wiederherzustellen? Sind ambulante Begleitgherapien indiziert, wenn ja, welche?
- Wie hoch werden sich die absehbaren Kosten ad 12. belaufen?
- Wenn die Beweisfrage ad 12. zu bejahen sein sollte, welche Behandlungsdauer wird bei dem Antragsteller erforderlich sein, um vollständige Beschwerdefreiheit bzw. zumindest den Beschwerdestatus quo ante 05.1997 wiederherzustellen?
- Liegen gegenwärtig Dauerschäden vor bzw. bleiben auch bei erneuter, eventuell medizinisch indizierter chirurgischer oder/und konservativer Intervention (vgl. Beweisfrage ad 12.) Dauerschäden zurück?
- Haben sich auf Grund des Beschwerdebildes und der persistierenden Schmerzen des Antragstellers Folgeschäden eingestellt oder sind diese bereits jetzt absehbar?
Die Auswahl eines geeigneten Sachverständigen wird dem Landgericht übertragen.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, weil sein im Gesetz geregelter Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens zurückgewiesen worden ist, §§ 567 Abs. 1, 485, 486 ZPO.
Die Beschwerde ist auch in gesetzlicher Form eingelegt worden, § 569 Abs. 2 ZPO.
Das Rechtsmittel ist begründet, weil entgegen der Ansicht des Landgerichts sowohl die Voraussetzungen für eine Beweissicherung nach § 485 Abs. 1 ZPO als auch die Voraussetzungen für die Durchführung einer Beweiserhebung außerhalb eines anhängigen Rechtsstreits nach § 485 Abs. 2 ZPO vorliegen. Der Senat teilt die Bedenken des Landgerichts gegen die Zulässigkeit von selbständigen Beweisverfahren in Arzthaftungssachen nicht.
1. Die Voraussetzungen des § 485 Abs. 1 ZPO liegen schon deshalb vor, weil dem Antragsteller unstreitig eine Korrekturoperation angeraten worden ist, er diese durchführen zu lassen beabsichtigt und nach erfolgter Korrekturoperation sein derzeitiger Zustand einer unmittelbaren klinischen Untersuchung nicht mehr zugänglich ist. Folglich ist zu besorgen, daß für den Antragsteller nach erfolgter Korrekturoperation die Benutzung des Beweismittels „Sachverständigengutachten” erschwert ist. Mehr ist nach dem Gesetz nicht erford...