Leitsatz (amtlich)
1. Der Vermögensbegriff nach Vorb. 1.1 Abs. 1 KV GNotKG ist nach kostenrechtlichen Erwägungen zu beurteilen. Dieser Vermögensbegriff geht über den im sozialrechtlichen Sinn verwendeten Vermögensbegriff hinaus, welcher auf das verwertbare Vermögen beschränkt ist. Damit ist mit Ausnahme des in SGB XII § 90 Absatz 2 Nr. 8 genannten Vermögenswertes ("angemessenes Hausgrundstück") das gesamte Vermögen heranzuziehen.
2. Verfügungsbeschränkungen, die aufgrund angeordneter Vor-/Nacherbschaft auf dem geerbten Vermögen des Betreuten lasten, stellen Verbindlichkeiten dar. Aufgrund fehlender Bewertungsvorschriften im GNotKG ist zumindest für die Vorerbschaft die Bemessung der Höhe des Wertes in analoger Anwendung nach § 52 GNotKG vorzunehmen.
3. Den Jahreswert der Vorerbschaft bilden diejenigen Erträge, die dem Betroffenen aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen der Vorerbschaft zustehen bzw., bei zusätzlich angeordneter Dauertestamentsvollstreckung, dasjenige, was der Testamentsvollstrecker dem Betroffenen unter Ausübung der Anordnungen des Erblassers über das Jahr hin zuweist, wobei die Höhe der jährlichen Zuwendungen auch 0 Euro betragen kann und somit der Wert der Vorerbschaft einen Wert von 0 Euro haben kann. Ist der Jahreswert nicht feststellbar, kann hilfsweise von 5 % des Wertes der Vorerbschaft ausgegangen werden, GNotKG § 52 Absatz 5.
4. Die Einbeziehung des der Vorerbschaft und TV unterliegenden Vermögens in die Berechnung der Jahresgebühr richtet sich nach dem Beschluss über die Betreuerbestellung, wobei die Rechte zur Überwachung der Testamentsvollstreckung und das Vorerbenrecht in den Bereich der Vermögenssorge gehören und dieses Vermögen damit unmittelbar betreffen, trotz des engen rechtlichen Rahmens in Form von Kontroll- und Informationsrechten gegenüber dem Testamentsvollstrecker.
Tenor
Auf die weitere Beschwerde der Landeskasse werden der Beschluss des Amtsgerichts Ratzeburg vom 29. April 2021, der Beschluss des Landgerichts Lübeck vom 31. August 2021 und der Kostenansatz gemäß der Gerichtskostenrechnung des Amtsgerichts Ratzeburg vom 23. Februar 2021 über 270 EUR aufgehoben.
Gerichtskosten für das weitere Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Für den im Jahr ... geborenen Beteiligten zu 1) besteht eine gesetzliche Betreuung mit den Aufgabenkreisen "Gesundheitsfürsorge, Vermögenssorge, Behörden- (Sozial-) Versicherungsangelegenheiten, die Entscheidung über die Anwendung unterbringungsähnlicher Maßnahmen, Postkontrolle, Erbschaftsangelegenheiten." Der Betroffene bezog im Jahr 2021 Leistungen der Eingliederungshilfe, Leistungen der Grundsicherung und Leistungen der Pflegeversicherung. Die Berufsbetreuerin rechnet seit dem Jahr 2012 die Betreuervergütung für einen "mittellosen" Betreuten ab.
Die in den Jahren 2001 und 2014 verstorbenen Eltern des Beteiligten zu 1) setzten sich mit notariellem Testament vom ... gegenseitig zu alleinigen Erben und den Beteiligten zu 1) sowie seinen Bruder zu gleichen Teilen als Erben des Letztversterbenden ein. Sie ordneten an, dass der Beteiligte zu 1) nicht befreiter Vorerbe sein solle, und ernannten seinen Bruder zum Testamentsvollstrecker. Zugleich bestimmten sie den Bruder zum Nacherben. In dem Testament heißt es in Ziffer IV Abs. 2:
"Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, den der Nacherbfolge unterliegenden Erbteil bis zum Ableben des Vorerben zu verwalten. Er wird angewiesen, aus den Erträgen aus dem Erbteil und, soweit erforderlich, auch unter Inanspruchnahme der Substanz des Erbteils, dem Vorerben nach billigem Ermessen diejenigen Zuwendungen zu leisten, die zur Verbesserung seiner Lebensqualität beitragen, aber nach dem Sozialhilferecht nicht dem Zugriff des Sozialhilfeträgers unterliegen. Die Erträgnisse des Erbteils bzw. der Erbteil selbst soll also z. B. der Zahlung von Beiträgen in die Krankenversicherung, zur Finanzierung eines Taschengeldes, von Geschenken zu den üblichen Festtagen oder von Ferien- und Kuraufenthalten dienen."
Zum Nachlass der im Jahr 2014 letztverstorbenen Mutter gehörte im Wesentlichen ein Hausgrundstück, das im Jahr 2020 zu einem Kaufpreis von 300.000 EUR Euro veräußert wurde. Der Testamentsvollstrecker zahlte den hälftigen Kaufpreis auf ein separates Geldmarktkonto bei der Sparkasse Holstein ein, das auf seinen Namen als Testamentsvollstrecker lautete.
Mit Gerichtskostenrechnung vom 23. Februar 2021 setzte das Amtsgericht Ratzeburg gegen den Beteiligten zu 1) eine Jahresgebühr für die Betreuung gemäß KV Nr. 11101 GNotKG in Höhe von 270 EUR an. Dabei ging es von einem Vermögen des Betroffenen zum 1. Januar 2021 in Höhe von 155.672,80 EUR und nach Abzug des Freibetrags von 25.000 EUR in Höhe von 130.672,80 EUR wie folgt aus:
Girokonto ... 5.459,84 EUR
Girokonto ... 214,76 EUR
Geldmarktkonto Testamentsvollstrecker bei der ... 149.998,20 EUR.
Gegen den Kostenansatz legte die Betreuerin für den Beteiligten zu 1) Erinnerung ein und verwies zur Begründung darauf, dass der...