Leitsatz (amtlich)

Bei Straßen von minderer Verkehrsbedeutung, kann von LKW-Fahrern erwartet werden, dass sie neben dem eigentlichen Verkehrsgeschehen auch den Luftraum oberhalb der Straße beobachten (hier ein ca. 1,30 m dicker Ast einer Kastanie, der bereits seit Jahren in ca. 3,10 m Höhe in den Verkehrsraum hineinragte)

 

Normenkette

BGB § 839; GG Art. 34; StrWG SH § 10 Abs. 4, § 13; StVZO § 32 Abs. 2

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers vom 24.06.2020 gegen das am 28.05.2020 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Flensburg ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 64.018,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger macht gegen die beklagte Gemeinde Schadenersatzansprüche aus Amtshaftung nach § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG wegen eines Unfalls geltend, der sich am 22.05.2019 in K. auf X. ereignete. Der Kläger befuhr mit seinem LKW Mercedes Benz, Typ LK 1324 (13,5 t; amtl. Kennzeichen: xxx) und einem darauf befindlichen Abrollcitycontainer (19 m3) die B-straße im Ortsteil K. in Richtung Bahnhof. Gegen 09:30 Uhr stieß er mit dem Containeraufbau gegen einen in die Straße hineinragenden Ast eines am rechten Fahrbahnrand stehenden Baumes. Durch den Anstoß wurde der LKW abrupt gestoppt. Der Container wurde aus seiner Befestigung gerissen und vollständig verbogen. Auch der LKW wurde bei dem Unfall massiv beschädigt. Der Kläger macht einen Sachschaden von knapp 40.000,00 EUR (netto) sowie fiktive Mietkosten (11.550,00 EUR) und entgangenen Gewinn (10.950,00 EUR netto) geltend. Der Kläger betreibt u.a. einen Containerdienst unter der Firma "Immobilienservice S.".

Außerdem erlitt der Kläger durch den Unfall diverse Prellungen und Zerrungen im Brustwirbelbereich, die eine physiotherapeutische/osteopathische Behandlung erforderten. Neben einem Schmerzensgeld in Höhe von 1.700,00 EUR beansprucht er deshalb auch entsprechende Heilbehandlungskosten.

Die B-straße hat an der Unfallstelle eine Breite von 4,50 m, wobei der asphaltierte Bereich nur 3,60 m breit ist und an beiden Seiten von einer gepflasterten Regenrinne (jeweils 0,46 m breit) gesäumt wird. Auf der Straße besteht ein Tempolimit von 30 km/h. Nach Angaben des Klägers misst der LKW - inklusive Containeraufbau - eine Höhe von 3,33 m.

In den Ortsbeiratssitzungen der Gemeinde K. vom 29.08.2018 (Anlage K 6) und 25.04.2019 (Anlage K 5) war der streitgegenständliche Baum schon vor dem Unfall Gegenstand von Erörterungen. Der Bürgervertreter J. hatte in der Sitzung am 25.04.2019 darum gebeten, "den markierten Baum in der B-straße zu stutzen oder zu entfernen" (Ziffer 13.1 der Ortsbeiratssitzung vom 25.04.2019, Anlage K 5).

Hinsichtlich der Örtlichkeiten sowie des Schadens wird auf die Lichtbilder (Anlagenkonvolut K 1, Bl. 13 - 19 d. A.; K 17, Bl. 219 d.A..) Bezug genommen. Nach Verkündung des angefochtenen Urteils ließ die Beklagte ein Warnschild vor dem streitgegenständlichen Baum aufstellen (Lichtbild, Anlage K 18, Bl. 220 GA).

Das Landgericht hat mit dem angefochtenen Urteil vom 28.05.2020 die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe ihre Verkehrssicherungspflicht nicht verletzt. Bei der B-straße handle es sich um eine Straße von untergeordneter Bedeutung. Es handle sich um eine typische Wohnstraße. Aufgrund der Erkennbarkeit des hineinragenden Baumstamms hätte der Kläger hier durch geringe Verschwenkung in die Mitte der Fahrbahn die Kollision vermeiden können.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers. Er meint, die Beklagte hätte jedenfalls mit einem Warnschild auf die Gefahrenstelle hinweisen müssen. Der ca. 1,30 m dicke Baumstamm habe an der Unfallstelle in Höhe von 3,10 - 3,17 m in den Verkehrsraum hineingeragt. Ein Verschwenken in die Fahrbahnmitte sei nicht möglich gewesen, denn damit wäre der Kläger in den Gegenverkehr geraten. Die B-straße habe auch keine untergeordnete Bedeutung. Sie diene als Zuliefererstraße zum Bahnhof K. (mit ca. 200 Zugbewegungen täglich) sowie zu einem Baumarkt, einer Bautischlerei, dem Bauunternehmen I. und der Zentrale der X-Bank. Mangels entgegenstehender Verbote habe der Kläger darauf vertrauen dürfen, dass die Straße auch für die Benutzung mit einem LKW geeignet sei.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil zu ändern und die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn 61.318,00 EUR nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (05.12.2019) zu zahlen;

2. an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld in Höhe von 1.700,00 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden aus der unfallbedingten Körperverletzung vom 22.05.2019 auf der B-straße in X., OT K. zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergehen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn für ents...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge