Verfahrensgang

LG Lübeck (Beschluss vom 30.11.1999; Aktenzeichen 7 T 446/99)

AG Ratzeburg (Beschluss vom 02.08.1999; Aktenzeichen 2 VIII C 128)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß und der Beschluß des Amtsgerichts vom 2.08.1999 werden aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Behandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der weiteren Instanzen – an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Der Geschäftswert beträgt 31.842 DM.

 

Gründe

Das Amtsgericht hatte den Beteiligten zu 1. für die Zeit vom 13.01. bis zum 13.04.1999 zum Abwesenheitspfleger bestellt. Zum Vermögen der Abwesenden gehörten u.a. 8 Grundstücke, 5 Beteiligungen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung, und zwar überwiegend als Alleingesellschafterin, 6 Kontoguthaben und zahlreiche Forderungen. Die Firmen betreiben u.a. Fitnesscenter und ein Sonnenstudio. Nach dem letzten Vermögensverzeichnis beläuft sich das Vermögen auf ca. 5 Millionen DM. Am 18.03.1999 bewilligte das Amtsgericht dem Beteiligten zu 1. einen Vorschuß von 32.000 DM. Am 27.05.1999 hat er die Festsetzung einer Vergütung beantragt, die er in Höhe von 69.252 DM (199 Stunden à 300 DM + 16 %) für angemessen gehalten hat. Dem Antrag war ein Tätigkeitsnachweis (Bl. 80–84 d.A.) beigefügt. Das Amtsgericht ist dem nachgekommen. Hiergegen hat die Beteiligte zu 2. sofortige Beschwerde eingelegt. In der Beschwerdeinstanz hat der Beteiligte zu 1. zum Beleg für seine Tätigkeit eine Zusammenstellung der von ihm gefertigten Vermerke eingereicht (Bl. 175–194 d.A.). Das Landgericht hat die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Gegen seinen Beschluß, in dem es die sofortige weitere Beschwerde zugelassen hat und auf den zur weiteren Sachdarstellung verwiesen wird (Bl. 195–197 d.A.), richtet sich die sofortige weitere Beschwerde der Beteiligten zu 2., welcher der Beteiligte zu 1. entgegengetreten ist.

Die nach §§ 56 g Abs. 5 Satz 2, 27, 29 FGG zulässige sofortige weitere Beschwerde ist mit der Folge der Aufhebung der vorinstanzlichen Entscheidungen begründet. Die angefochtene Entscheidung beruht auf einer Verletzung des Gesetzes (§§ 27 FGG, 550 ZPO).

Das Landgericht hat ausgeführt:

Angesichts des zu verwaltenden Vermögens habe die Kammer keinen Anlaß, die Ordnungsgemäßheit der Abrechnung über 199 Stunden in Zweifel zu ziehen. Die Belastung sei so groß, daß der Beteiligte zu 1. um seine Entlassung gebeten habe, weil eine optimale Führung ohne Vernachlässigung seiner Anwaltskanzlei auf Dauer nicht geleistet werden könne. Insbesondere komme es nicht darauf an, wie lange z.B. bestimmte Gespräche mit einem der Söhne der Abwesenden an einem bestimmten Tag gedauert hätten, da er jeden Tag auch diverse andere Tätigkeiten im Rahmen der Pflegschaft verrichtet habe und allein aus der Dauer der Gespräche kein zwingender Hinweis auf eine nicht ordnungsgemäße Abrechnung zu entnehmen sei. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß er mit der Einreichung umfangreicher Vermerke alles ihm Mögliche getan habe, um seine Tätigkeit im einzelnen darzulegen, ohne daß Einwendungen weiter substantiiert worden seien. Nach der Rechtsprechung des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts sei ein Stundensatz von 300 DM gerechtfertigt. Materiellrechtliche Einwendungen, der Beteiligte zu 1. habe die Pflegschaft schlecht geführt, seien im vorliegenden Festsetzungsverfahren unzulässig und müßte gem. § 767 ZPO verfolgt werden.

Der Ausgangspunkt des Landgerichts, die Vergütung sei nach §§ 1915 Abs. 1, 1836 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 und 3 BGB – also entsprechend der eines Berufsvormunds – zu bemessen, ist nicht zu beanstanden. § 1915 Abs. 1 BGB erklärt für die Pflegschaft die für die Vormundschaft geltenden Vorschriften für grundsätzlich entsprechend anwendbar. Hierzu gehören insbesondere die Vergütungsvorschriften gem. §§ 1836 bis 1836 e BGB (Palandt-Diederichsen, BGB, 60. Aufl., § 1915 Rn. 3). Zwar hat das Amtsgericht nicht ausdrücklich nach § 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB bestimmt, daß der Pfleger die Pflegschaft berufsmäßig führe. Diese Bestimmung ergibt sich jedoch konkludent. Es hat den Beteiligten zu 1. wegen dessen Stellung als Rechtsanwalt ausgewählt, weil das Amt eine solche Ausbildung nach Umfang und Schwierigkeitsgrad erforderte (BayObLG NJW-RR 1999, 517). Daß der Beteiligte zu 1. möglicherweise nur eine Pflegschaft verwaltete, steht dem nicht entgegen (BayObLG FamRZ 1999, 462) Vor allem hat das Amtsgericht, was als zulässige (Palandt-Diederichsen, § 1836 Rn. 4) nachträgliche Feststellung anzusehen ist, die Vergütung in seinem Beschluß vom 2.08.1999 nach Zeitaufwand und Stundensatz abgerechnet. Das kommt in aller Regel nur bei einer berufsmäßigen Führung einer Pflegschaft in Betracht.

Die Ausführungen des Landgerichts sind jedoch insoweit rechtsfehlerhaft, als es die Abrechnung des Zeitaufwandes als ordnungsgemäß befunden hat. Bei der Bewilligung einer Vergütung nach § 1836 BGB steht dem Tatrichter entsprechend § 287 ZPO ein Schätzungsermessen zu. Dieses Ermessen kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur daraufhin überprüft werden, ob es auf denkgesetzlich...

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