Verfahrensgang

LG Lübeck (Aktenzeichen 1 AR 45/01)

AG Lübeck (Aktenzeichen 22 C 321/01)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Beschlussfassung an das LG zurückverwiesen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist gem. § 46 Abs. 2 ZPO statthaft (Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 46 Rz. 14). Sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt worden, §§ 569 Abs. 2, 577 Abs. 2 ZPO.

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Zurückverweisung an das LG, weil das Befangenheitsgesuch zu Unrecht als unzulässig zurückgewiesen worden ist und der Senat auch eigene Entscheidung nicht für sachdienlich hält, § 575 ZPO (Zöller/Gummer, ZPO, 22. Aufl., § 575 Rz. 14).

1. Das Ablehnungsgesuch ist nicht mangels Begründung unzulässig.

Ein Ablehnungsgesuch muss, wenn es in der mündlichen Verhandlung gestellt wird, sofort jedenfalls soweit begründet werden, dass eine Individualisierung des Ablehnungsgrundes möglich ist (dazu Zöller/Vollkommer, ZPO, 22. Aufl., § 44 Rz. 2), also i.d.R. in Form einer Kurzbegründung. Eine ausführliche Begründung kann dann schriftlich nachgereicht werden. Die Tatsache der Anbringung eines Ablehnungsgesuchs und die Angabe des Ablehnungsgrundes gehören nach § 160 Abs. 2 ZPO in das Protokoll der mündlichen Verhandlung.

Ausweislich des Protokolls der mündlichen Verhandlung vom 22.8.2001 und ihrer dienstlichen Stellungnahme vom 28.8.2001 hat die abgelehnte Richterin den Anwalt der Klägerin – trotz entsprechenden Antrags – keine Gelegenheit gegeben, den Ablehnungsgrund zu Protokoll zu bringen sondern ihn darauf hingewiesen, dass er die Begründung zu Protokoll der Geschäftsstelle geben oder schriftsätzlich einreichen könne.

Folglich reichte die Darlegung des Ablehnungsgrundes im Schriftsatz der Klägerin vom 23.8.201. Dieser Schriftsatz ist am 29.8.2001 beim LG eingegangen, einen Tag bevor der angefochtene Beschluss vom selben Tage an die Parteien abgegangen ist (Kanzleivermerk Blatt 92 der Akte).

Er hätte also vom LG noch berücksichtigt werden können, ohne dass es darauf ankommt, wann der Schriftsatz den erkennenden Richtern der Beschwerdekammer vorgelegt worden ist. Die Nichtberücksichtigung verletzt die Klägerin in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG.

Das Befangenheitsgesuch ist auch nicht gem. § 43 ZPO unzulässig. Das Gesuch ist nach der Verhandlung den Parteien zum Beweisergebnis angebracht worden. Die Ausführungen des LG zu § 43 ZPO entbehren jeder Grundlage, weil das LG ohne Kenntnis des Ablehnungsgrundes eine bloße Vermutung als Unzulässigkeitsgrund herangezogen hat.

2. Eine eigene Sachentscheidung des Senats scheidet aus, weil nicht auszuschließen ist, dass das LG bei ordnungsgemäßer Verfahrensgestaltung dem Befangenheitsgesuch stattgegeben hätte. In einem solchen Falle wäre eine Befassung des Senats mit dem Befangenheitsgesuch ausgeschlossen, § 46 Abs. 2 ZPO.

Die Zurückverweisung ist aber auch ungeachtet dieses Gesichtspunktes geboten, weil das landgerichtliche Verfahren auch im Übrigen zu beanstanden ist. Es kommt nämlich einer Rechtsschutzverweigerung nahe. Zu einer ordnungsgemäßen Verfahrensgestaltung hätte gehört, die Klägerin zur Begründung ihres Ablehnungsgesuches aufzufordern oder die übliche Frist von 14 Tagen abzuwarten, nachdem die abgelehnte Richterin die Klägerin, wie aus dem Protokoll ersichtlich, auf schriftsätzliche Begründung des Ablehnungsgesuchs verwiesen hatte. Eine Entscheidung binnen einer Woche mit der vorgenommenen Begründung war grob fehlerhaft. Der Senat würde, entschiede er selbst, praktisch erstinstanzlich entscheiden. Das ist nicht seine Aufgabe.

Dr. Chlosta Meinert Haack

 

Fundstellen

Haufe-Index 1109517

OLGR Düsseldorf 2002, 71

OLGR Frankfurt 2002, 71

OLGR Hamm 2002, 71

OLGR Köln 2002, 71

KG-Report 2002, 71

OLGR-BHS 2002, 307

OLGR-BHS 2002, 71

OLGR-CBO 2002, 71

OLGR-KSZ 2002, 71

OLGR-KS 2002, 71

OLGR-MBN 2002, 71

OLGR-NBL 2002, 71

www.judicialis.de 2001

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