Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung Protokollberichtigungsantrag/Protokollaufnahmeantrag und Beschwerdezulässigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei Ablehnung einer Protokollberichtigung aus formellen Gründen ist ausnahmsweise das Rechtsmittel der sofortigen Bescherde statthaft, weil lediglich das Berichtigungsverfahren beanstandet wird.

2. In Abgrenzung zum Protokollaufnahmeantrag nach § 160 Abs. 4 ZPO kann ein Protokollberichtigungsantrag nach § 164 ZPO nur sprachliche Unvollständigkeiten bei der Wiedergabe eines Vorgangs oder einer Äußerung umfassen, nicht jedoch die vollständig fehlende Wiedergabe eines Vorgangs oder einer Äußerung.

3. Ein solcher Antrag auf Protokollaufnahme nach § 160 Abs. 4 ZPO kann nur bis zum Schluss derjenigen mündlichen Verhandlung gestellt werden, über die das Protokoll aufgenommen worden ist. Ein später gestellter Antrag ist unzulässig.

 

Normenkette

ZPO § 160 Abs. 4, §§ 164, 567 Abs. 1 Nr. 2

 

Verfahrensgang

LG Flensburg (Beschluss vom 19.01.2011)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers vom 1.2.2011 gegen den Beschluss der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des LG Flensburg vom 19.1.2011 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert wird auf 1.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Der Kläger, ein selbständiger Tischlermeister, nimmt die Beklagte Bank auf Zahlung i.H.v. 8.000 EUR aus einer Bürgschaft für Werklohnansprüche gegen die Streithelferin (= Hauptschuldnerin) in Anspruch. Die Beklagte bestreitet die Fälligkeit der Hauptschuld und wendet gem. §§ 765, 768 BGB entsprechende Mängelgewährleistungsansprüche gegen den Kläger ein.

Im Verhandlungstermin am 18.11.2010 hat das LG - ausweislich des Protokolls (Bl. 125-143 GA) - den Kläger persönlich gehört sowie die Zeugen P., S. und L. vernommen. Das Protokoll ist dem Klägervertreter am 25.11.2010 zugestellt worden (Bl. 151 GA).

Mit Antrag vom 30.11.2010 (Bl. 153 GA) beantragte der Kläger, nachfolgenden Sachverhalt ergänzend in das Protokoll vom 18.11.2010 aufzunehmen:

"In der Güteverhandlung von 09:40 Uhr bis 09:45 Uhr hatte der Kläger nach kurzer Unterbrechung der Streitverkündeten den Vorschlag gemacht, einen konkreten Abnahmetermin zu vereinbaren, in dessen Verlauf er bereit sei, Mängel, die wider Erwarten dabei festgestellt würden, zu beseitigen. Die Streitverkündete hat die Vereinbarung eines solchen Abnahmetermins aber strikt und endgültig abgelehnt".

Mit dem angefochtenen Beschluss vom 19.1.2011 (Bl. 169 GA) hat das LG den Protokollaufnahmeantrag des Klägers wegen Verspätung zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Klägers vom 1.2.2011 (Bl. 173, 174 GA).

II.1. Die sofortige Beschwerde ist - entgegen der Auffassung des LG - nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft. Der Kläger hat hier eine landgerichtliche Entscheidung angefochten, die eine mündliche Verhandlung nicht erfordert hat und mit der ein das Verfahren betreffendes Gesuch zurückgewiesen worden ist.

Die Auffassung des LG, der Beschluss vom 19.1.2011 sei als "unselbständige Zwischenentscheidung" nicht isoliert anfechtbar, ist unzutreffend. Eine Beschwerde gegen die Ablehnung einer Berichtigung ist nur dann nicht statthaft, wenn die Beschwerde dazu führen würde, dass das Beschwerdegericht, welches an der Sitzung nicht teilgenommen hat, das Protokoll inhaltlich überprüfen müsste (vgl. Begründung des Rechtsausschusses zum Entwurf des § 164 ZPO in BT-Drucks. 7/2769 S. 10). Insoweit entspricht es einhelliger Ansicht, dass ein Rechtsmittel gegen eine solche Protokollberichtigung - und damit auch gegen die Verweigerung einer "Berichtigung" - schon begrifflich ausgeschlossen ist, weil das Beschwerdegericht nicht wissen kann, was richtig oder unrichtig ist (vgl. OLG Schleswig, SchlHA 2003, 301-302; Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 164 Rz. 11 m.w.N.).

Bei Ablehnung der Berichtigung aus formellen Gründen ist hingegen das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde ausnahmsweise statthaft. Wenn - wie hier - die beantragte Ergänzung des Protokolls aus formellen Gründen wegen Verspätung (als unzulässig) abgelehnt wurde, dann zielt die Beschwerde nicht auf die inhaltliche Richtigkeit des Protokolls, sondern auf eine Beanstandung des Berichtigungsverfahrens (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 8.11.2004, OLGReport Frankfurt 2005, 463-464 veröffentlicht in juris, Rz. 6; OLG Schleswig, Beschluss vom 4.11.2002, SchlHA 2003, 301-302; Zöller/Stöber, a.a.O., § 164 Rz. 11 m.w.N.).

2. Das LG hat die beantragte Protokollberichtigung im Ergebnis jedoch zu Recht als unzulässig abgelehnt. Der Protokollberichtigungsantrag des Klägers vom 30.11.2010 ist nicht auf die Berichtigung einer Unrichtigkeit des Protokolls (= Protokollberichtigungsantrag), sondern auf die Aufnahme weiterer Äußerungen/Sachverhalte i.S.d. § 160 Abs. 4 ZPO in das Protokoll gerichtet. Es handelt sich damit nicht um den Sachverhalt einer fehlerhaften Übertragung von Tonträgeraufzeichnungen i.S.v. § 160a ZPO in das schriftliche Protokoll. Dies wird von dem Kläger nicht behauptet.

Bei dem Be...

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