Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den Aufklärungs- und Hinweispflichten einer Bank im Zusammenhang mit dem Verkauf von Zertifikaten im Rahmen eines Eigengeschäfts
Leitsatz (amtlich)
1. Zu einer anleger- und objektgerechten Beratung gehört bei Zertifikaten grundsätzlich auch die Aufklärung über das sog. allgemeine Emittentenrisiko (BGH, Urt. v. 27.9.2011 - XI ZR 182/10 und XI ZR 178/10, bei Juris). Eine solche Pflicht besteht jedoch dann nicht, wenn dem Anleger dieses Risiko aus seinem bisherigen Anlageverhalten geläufig war. Wenn der Anleger durch sein früheres Anlageverhalten bereits Erfahrungen mit Zertifikaten und Derivaten gesammelt hat, wäre der Hinweis der beratenden Bank auf das allgemeine Emittentenrisiko ein bloßer Formalismus ohne entsprechenden Informationsgewinn für den Anleger.
2. Neben einem Hinweis auf das Emittentenrisiko aber kommt bei Zertifikaten der Warnung vor dem Fehlen einer Einlagensicherung keine eigenständige Bedeutung zu. Weiß der Kunde um die Möglichkeit eines Totalverlustes, kann er nicht gleichzeitig auf das Eingreifen einer Einlagensicherung vertrauen. Anderes gilt nur, wenn der Kunde für die beratende Bank erkennbar ein besonderes Interesse an der Nominalsicherheit der Geldanlage hat.
3. Die Bank genügt ihrer Pflicht nach § 23a Abs. 1 S. 2 KWG i.d.F. vom 1.8.1998 bereits dann, wenn die Information über die Sicherungseinrichtung in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten ist und sie den Kunden hierauf vor Aufnahme der Geschäftsbeziehung gesondert hinweist.
4. Eine Bank ist im Rahmen der Anlageberatung nicht verpflichtet, ihre Handelsspanne bei Eigengeschäften offenzulegen. Für eine Übertragung der Rechtsprechungsgrundsätze zu aufklärungspflichtigen Rückvergütungen und Innenprovisionen fehlt es bei einem Wertpapiererwerb im Wege des Eigengeschäfts an einem vergleichbaren Interessenkonflikt.
5. Bei Zertifikaten handelt es sich um eine Finanzdienstleistung, deren Preis auf dem Finanzmarkt Schwankungen unterfällt, auf die die Bank keinen Einfluss hat. Selbst wenn es sich um ein Fernabsatzgeschäft handeln würde, wäre ein Widerrufsrecht nach § 312d Abs. 4 Nr. 6 BGB ausgeschlossen.
Normenkette
KredWG § 23a Abs. 1 S. 2; BGB § 280 Abs. 1, § 312d Abs. 4 Nr. 6
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 17.05.2011; Aktenzeichen 7 O 12/10) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin vom 8.6.2011 gegen das am 17.5.2011 verkündete Urteil des Einzelrichters der 7. Zivilkammer des LG Itzehoe wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.
3. Der Beschluss ist vorläufig vollstreckbar.
4. Der Berufungsstreitwert wird auf 30.000 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Zertifikaten der inzwischen insolventen Lehman Brothers Treasury Co. B. V. in Anspruch Zug um Zug gegen Rückübertragung der erworbenen Wertpapiere.
Der Ehemann der Klägerin, der Zeuge H, erwarb Anfang Februar 2007 im Verlauf eines Telefonats mit einem Mitarbeiter der Rechtsvorgängerin der Beklagten, der X Bank AG, (nachfolgend: Beklagte), dem Zeugen S, 30 Stück Lehman Brothers Global Champion Zertifikate zu einem Gesamtkaufpreis von 30.000,- EUR. Der genaue Inhalt des Gespräches ist zwischen den Parteien streitig.
Die Zertifikate hatte die Beklagte von der Emittentin zu einem unter dem Nennwert liegenden Preis erworben und sodann aus dem Eigenbestand an den Zeugen H veräußert.
Bei dem Lehman Brothers Global Champion Zertifikat handelt es sich um eine Schuldverschreibung, die als Bonuszertifikat ausgestaltet ist. Fälligkeit und Bonuszahlung richten sich nach der Entwicklung der drei Aktienindizes Dow Jones EURO STOXX 50, des Standard & Poor's 500 und des Nikkei 225. Am Ende eines jeden von drei Beobachtungszeiträumen erhält der Anleger einen Bonus i.H.v. 8,75 % des Nennbetrages des Zertifikats, sofern keiner der zugrunde liegenden Basiswerte seine Kursschwelle berührt oder unterschritten hat. Die Kursschwelle wird bei Emission fixiert und beträgt für jeden Basiswert 60 % seines Schlusskurses am Festlegungstag. Berührt oder unterschreitet einer der drei genannten Indizes seine Barriere, entfällt von da an die Bonuszahlung und die Rückzahlung richtet sich nach der Wertentwicklung des Index, der seine Kursschwelle während der Laufzeit am tiefsten unterschritten hat.
Die Klägerin hat behauptet, die Beklagte habe weder anleger- noch anlagegerecht beraten. Wegen der Einzelheiten des Sachvortrages wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung einschließlich dort enthaltener Bezugnahmen und Verweisungen Bezug genommen.
Die Klägerin hat beantragt,
1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 30.000,- EUR nebst Zinsen i.H.v. 4 % p.a. vom 15.2.2007 bis zum 17.10.2009 und von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 18.10.2009, abzgl. am 13.5.2008 gezahlter 2.625,- EUR, Zug um Zug gegen Übertragung von 30 Stück Lehman Brothers Treas. Co. B. V. Global Champion ZT07(13.5.2010) Index Bask...