Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufklärungspflichten einer finanzierenden Bank bei überteuertem Immobilienkauf. Aufklärungspflicht. Immobilienkauf. Wissensvorsprung. Beleihungswertermittlung
Leitsatz (amtlich)
1. Die kreditgebende Bank ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Darlehensnehmer vor einem für ihn ungünstigen Vertragsschluss zu warnen bzw. ihn über die Gefahren und Risiken der Darlehensverwendung aufzuklären. Aufklärungspflichten ergeben sich nur ausnahmsweise, wenn die Bank in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und diese Risiken auch erkennen kann.
2. Zur Darlegung einer nebenvertraglichen Aufklärungspflicht bei der Finanzierung eines überteuerten Immobilienkaufs genügt nicht bereits die objektive Darlegung eines groben Missverhältnisses zwischen Kaufpreis und Verkehrswert. Während bei einem Verkäufer die subjektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit auch ohne Kenntnis von dem Wertverhältnis vermutet werden, besteht eine solche Vermutung zu Lasten einer Bank gerade nicht, weil die sich über das Verhältnis von Kaufpreis und Verkehrswert keine Gedanken machen muss.
3. Die interne Beleihungswertermittlung einer Bank erfolgt allein im Interesse des Kreditinstituts und der Funktion des Bankensystems, nicht jedoch auch im Interesse des Kunden. Aus den entsprechenden Wertmittlungen können zwar Rückschlüsse auf die Kenntnis der Bank von einer arglistigen Täuschung des Anlegers gezogen werden, eine Aufklärungspflicht der Bank kann jedoch nur dann angenommen werden, wenn die Bank über zusätzliches Sonderwissen hinsichtlich einer deutlich verminderten Werthaltigkeit der Immobilie verfügt hätte.
4. Allein die Höhe der dinglichen Belastung einer Immobilie im Grundbuch lässt keine sicheren Rückschlüsse auf den objektiven Wert einer Immobilie zu. Eine Bank ist nicht verpflichtet, sich einen Wissensvorsprung erst durch die Auswertung von Unterlagen oder durch Recherche bzw. Nachforschungen zu verschaffen.
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2, § 280 Abs. 1; ZPO § 114 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Kiel (Entscheidung vom 25.07.2012; Aktenzeichen 12 O 464/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin vom 15. August 2012 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der Einzelrichterin der 12. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 25. Juli 2012 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die gerichtlichen Kosten der sofortigen Beschwerde; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I.
Die Antragstellerin beabsichtigt, die Antragsgegnerin im Wege des Schadenersatzes auf Rückabwicklung des Darlehensvertrages vom 6./9. Juli 2001 wegen eines finanzierten Wohnungskaufs in Anspruch zu nehmen.
Das Darlehen über nominal 100.000,00 DM diente dem Kauf einer Eigentumswohnung (Wohnung Nr. ...), die die Antragsstellerin mit notariellem Grundstückskaufvertrag vom 21. November 2001 (Notar ...) zum Kaufpreis von 100.000,00 DM erworben hatte.
Die Antragstellerin behauptet, dass die Antragsgegnerin bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses Anhaltspunkte für einen überhöhten Kaufpreis gehabt habe. Die Antragsgegnerin hätte bei einem Vergleich von Kaufpreis und Wert des Objekts die sittenwidrige Benachteiligung der Antragstellerin durch die Verkäuferin ... erkennen können und deshalb die Antragstellerin entsprechend warnen müssen. Die Verkäuferin habe für die Wohnung nur 45.000,00 DM (= 23.008,13 €) bezahlt (vgl. notarieller Kaufvertrag vom 14.11.2011, Anlage K 5 ), mithin läge der gezahlte Kaufpreis (100.000,00 DM = 51.129,19 €) um 222 % über dem Verkehrswert.
II.
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung des Landgerichts zurückzuweisen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung bietet im Sinne von § 114 Abs. 1 ZPO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Der Antragstellerin stehen keine Schadenersatzansprüche gegen die Antragsgegnerin wegen Verletzung von Aufklärungspflichten gemäß §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2, 241 Abs. 2 BGB zu.
Die kreditgebende Bank ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den Darlehensnehmer vor einem für ihn ungünstigen Vertragsschluss zu warnen bzw. ihn über die Gefahren und Risiken der Darlehensverwendung aufzuklären. Die Bank trifft in der Regel auch keine Pflicht, den Kreditnehmer über etwaige Bedenken gegen die Werthaltigkeit oder Rentabilität der Anlage aufzuklären (BGH Urteil vom 22. Januar 2008, XI ZR 3/06, veröffentlicht in [...]). Die kreditgebende Bank darf vielmehr grundsätzlich davon ausgehen, dass die Kunden entweder selbst über die notwendige Kenntnisse und Erfahrungen verfügen oder sich jedenfalls der Hilfe von Fachleuten bedient haben. Nur ausnahmsweise können sich Aufklärungs- und Hinweispflichten aus den besonderen Umständen des Einzelfalls ergeben, insbesondere dann, wenn die Bank in Bezug auf spezielle Risiken des Vorhabens einen konkreten Wissensvorsprung vor dem Darlehensnehmer hat und dies auch erkennen kann (ständige Rechtsprechung des BGH, u. a. W...