Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert in Ehesachen - Berücksichtigung von Arbeitslosengeld II
Leitsatz (amtlich)
Arbeitslosengeld II stellt kein Nettoeinkommen i.S.d. § 48 Abs. 3 S. 1 GKG dar, das im Rahmen der Streitwertermittlung in Ehesachen zu berücksichtigen ist (entgegen OLG Schleswig, 1. Familiensenat, Beschl. v. 28.5.2008 - 8 WF 64/06, OLGReport Schleswig 2008, 608 = SchlHA 2008, 319).
Normenkette
GKG § 48 Abs. 2-3
Verfahrensgang
AG Itzehoe (Beschluss vom 18.09.2008; Aktenzeichen 76 F 50/08) |
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des AG - FamG - Itzehoe vom 18.9.2008 wird zurückgewiesen.
Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Das FamG hat den Streitwert für das Scheidungsverfahren in dem angefochtenen Beschluss vom 18.9.2008 auf 2.000 EUR festgesetzt. Dabei ging es davon aus, dass der Antragsteller Leistungen nach dem SGB II erhielt und die Antragsgegnerin über ein monatliches Nettoerwerbseinkommen von 400 EUR verfügte.
Hiergegen wendet sich der Antragsteller mit seiner Beschwerde vom 22.9.2008, mit der er geltend macht, dass das von ihm bezogene Arbeitslosengeld II als Einkommen bei der Ermittlung des Streitwerts für das Scheidungsverfahren heranzuziehen sei. So sei es für die Feststellung der Einkommensverhältnisse der Parteien unerheblich, ob diese aus eigener Leistungsfähigkeit erwirtschaftet würden oder aber durch staatliche Zuhilfenahme. Unter Zugrundelegung der Einkünfte des Antragstellers aus Arbeitslosengeld II von monatlich 722 EUR und dem Erwerbseinkommen der Antragsgegnerin von 400 EUR errechne sich ein gemeinsames Monatseinkommen von 1.122 EUR, weshalb sich ein festzusetzender Streitwert von 3.366 EUR ergebe.
Das FamG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und dazu ausgeführt, dass die staatlichen Unterstützungsleistungen kein Nettoeinkommen i.S.d. § 48 GKG darstellten, sondern Ausdruck der Bedürftigkeit der Parteien seien. Sofern der Mindeststreitwert von 2.000 EUR nicht mehr der wirtschaftlichen Realität entspreche, sei der Gesetzgeber gefordert.
Die Einzelrichterin hat die Sache dem Senat gem. § 568 S. 2 Nr. 2 ZPO wegen grundsätzlicher Bedeutung übertragen, weil die Streitwertbemessung in diesen Fällen in der obergerichtlichen Rechtsprechung umstritten ist.
II. Die gem. § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG zulässige Beschwerde war zurückzuweisen.
Das FamG hat zu Recht bei der Ermittlung des Streitwertes das vom Antragsteller bezogene Arbeitslosengeld II außer Betracht gelassen.
In nichtvermögensrechtlichen Streitigkeiten ist gem. § 48 Abs. 2 Satz 1 GKG der Streitwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Parteien, nach Ermessen zu bestimmen. Handelt es sich bei der nichtvermögensrechtlichen Streitigkeit um eine Ehesache, so ist für die Einkommensverhältnisse das in drei Monate erzielte Nettoeinkommen der Eheleute einzusetzen, wobei der Streitwert nicht unter 2.000 EUR angenommen werden darf, § 48 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 GKG.
Ob das seit dem 1.1.2005 eingeführte Arbeitslosengeld II als Einkommen i.S.d. § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG zu werten ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Die herrschende Meinung lehnt dies ab, da das Gesetz hinsichtlich der Gebührenberechnung mit der Bezugnahme auf das Einkommen der Eheleute ersichtlich an deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anknüpfe. Rein staatliche Sozialleistungen wie das Arbeitslosengeld II könnten aber die individuelle Belastbarkeit der Eheleute nicht bestimmen, sondern seien gerade Ausdruck fehlender eigener Mittel der Empfänger (OLG Dresden NJW-RR 2007, 1161 ff., und FamRZ 2004, 1225, OLG Rostock FamRZ 2007, 1760 f., OLG Düsseldorf FamRZ 2006, 807, OLG Hamburg OLGReport Hamburg 2006, 269 f. mit Anm. Götsche jurisPR-FamR 19/2006 Anm. 2, OLG Celle FamRZ 2006, 1690 f., OLG Brandenburg FamRZ 2003, 1676 f., OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1135 f., AG Vechta FamRZ 2008, 535 ff., Zöller/Herget, ZPO, 26. Aufl. 2007, § 3 ZPO Rz. 16, Stichwort "Ehesachen"). Diese Auslegung des § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG wurde vom BVerfG aus verfassungsrechtlicher Sicht ausdrücklich nicht beanstandet (BVerfG FamRZ 2006, 841).
Die Gegenansicht will das Arbeitslosengeld II in die Bemessung des Streitwerts einbeziehen, da der Wortlaut des Gesetzes nicht danach differenziere, aus welcher Quelle das bezogene Einkommen stamme. Der Wortlaut des § 48 Abs. 2 GKG erkläre die Einkommensverhältnisse der Parteien ohne Rücksicht auf eine wirtschaftliche Belastbarkeit und ohne Unterscheidung nach der Einkommensquelle für maßgebend. Es lasse sich dem Gesetzeswortlaut nicht im Wege eines Umkehrschlusses entnehmen, dass die Einkommensverhältnisse ausschließlich von Nettoeinkünften, also vom Erwerbseinkommen bestimmt sein sollten. Dass der Mindestwert von 2.000 EUR gem. § 48 Abs. 3 Satz 2 GKG durch diese Auslegung seine praktische Bedeutung nahezu einbüße, liege nicht in einer zu weiten Fassung des ...