Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflichten des Rechtsanwalts bei Nutzung eines elektronischen Fristenkalenders und im elektronischen Rechtsverkehr
Leitsatz (amtlich)
Wird für den Versand eines fristgebundenen Schriftsatzes das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) genutzt, kann und muss der Anwalt organisatorische Vorkehrungen für die Überprüfung treffen, ob die Eingangsbestätigung des Gerichts nach § 130a Abs. 5 S. 2 ZPO vorliegt.
Normenkette
ZPO § 85 Abs. 2, § 130a Abs. 5 S. 2, § 233 S. 1
Tenor
1. Der Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Frist zur Begründung ihrer Berufung gegen das Urteil der Einzelrichterin der 10. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 17.05.2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Berufung der Klägerin gegen das unter Ziff. 1 genannte Urteil wird verworfen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 50.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Beeinträchtigungen durch den Betrieb von Windkraftanlagen. Das Landgericht hat die Klage der Klägerin abgewiesen. Wegen des Sachverhalts wird auf die Feststellungen im landgerichtlichen Urteil verwiesen.
Das Urteil des Landgerichts ist der Klägerin am 19.05.2021 zugestellt worden. Eine Berufungsschrift der Klägerin ist am 20.05.2021 eingegangen. Mit Verfügung vom 21.05.2021 hat der Vorsitzende des Senats auf den in der Berufungsschrift gestellten Fristverlängerungsantrag der Klägerin die Berufungsbegründungsfrist bis zum 19.08.2021 verlängert. Mit Verfügung vom 23.08.2021, dem Klägervertreter zugestellt am 24.08.2021, hat der Senat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Verwerfung ihrer Berufung beabsichtigt ist. Mit Schriftsatz vom 30.08.2021, eingegangen am selben Tage, hat die Klägerin die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand beantragt und die Berufung begründet.
Die Klägerin begründet den Wiedereinsetzungsantrag damit, dass sie ohne Verschulden gehindert gewesen sei, die Frist zur Berufungsbegründung einzuhalten. Im Büro des Rechtsanwalts werde ein elektronischer Fristenkalender geführt, der alle Fristen, insbesondere die Notfristen mit einer Vorfrist sowie einer Endfrist erfasse. Die Fristenliste werde ausgedruckt. Der Ausdruck der Fristenliste diene zum Heraussuchen der Verfahrensakten und zur Vorlage an den Rechtsanwalt. Dem Rechtsanwalt werde der elektronische Fristenkalender täglich gemeinsam mit den Verfahrensakten vorgelegt. Eine namentlich benannte langjährige Mitarbeiterin ihres Prozessbevollmächtigten sei mit der Fristüberwachung sowohl der Vorfristen zur Berufungsbegründung als auch der Endfrist beauftragt worden. Die Aufgabenbereiche im Büro des Prozessbevollmächtigten seien aufgrund von unmissverständlichen Anweisungen des Rechtsanwalts klar verteilt. Die Rechtsanwaltsfachangestellte sei seit dem 01.08.2001 im Büro des Anwalts tätig und langjährig in der Handhabung der Fristenüberwachung erfahren. Sie habe die Fristenliste mit Vorfrist und mit Endfrist ausgedruckt. Aus Gründen, die die Angestellte sich bis zum heutigen Tag nicht erklären könne, sei es dann versäumt worden, die Verfahrensakte sowohl nach Ausdruck des Fristenkalenders und der entsprechenden Vorfrist wie auch der Endfrist dem Rechtsanwalt als Sachbearbeiter zur Fertigung der Berufungsbegründung vorzulegen. Zu der irrtümlichen Streichung der Vorfrist und der Endfrist sei es deshalb gekommen, weil zwei Mitarbeiterinnen davon ausgegangen seien, dass mit der Berufungsbegründung der Akte zum Aktenzeichen 7 U 48/21 auch im vorliegenden Verfahren die Berufungsbegründung bereits erfolgt sei. Den Mitarbeiterinnen sei nicht gegenwärtig gewesen, dass es sich um zwei gesonderte Berufungsverfahren handele. Im Büro des Rechtsanwalts würden durchschnittlich pro Jahr 20.000 Anwaltsverfahren bearbeitet. Das Fristaufkommen sei deutlich umfangreicher und die Möglichkeit von Fehlern größer. Aus diesem Grund sei der elektronisch gestützte Fristenkalender eingeführt worden. Fristversäumnisse hätten seitdem fast vollständig vermieden werden können.
Die Rechtsanwaltsfachangestellten seien äußerst zuverlässig und geschult. Sie hätten sich in der Vergangenheit stets als gewissenhaft und außerordentlich sorgfältig arbeitend erwiesen. Der Rechtsanwalt unternehme darüber hinaus in regelmäßigen Abständen - zumeist wöchentliche - Stichproben zwecks Überwachung der Fristeinhaltung durch die jeweiligen Mitarbeiter. Es habe bisher keinerlei Beanstandungen der Eignung oder Leistung der Angestellten gegeben. Die Berufungsklägerin habe über ihre Bevollmächtigten erstmals am 24.08.2021 Kenntnis vom Unterlassen der Berufungsbegründung erhalten.
Die Klägerin beantragt,
Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist sowie,
das Urteil des Landgerichts abzuändern und nach den Schlussanträgen der ersten Instanz zu erkennen.
Die Beklagten behaupten, dass die in der Kanzlei des klägerischen Prozessbevollmächtigten tätigen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte in der Vergangenheit in...