Entscheidungsstichwort (Thema)
Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens
Leitsatz (amtlich)
1. Der Fall der nicht rechtzeitigen Einzahlung des Kostenvorschusses ist kein Fall der Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens, sondern ein Nichtbetreiben des Verfahrens i.S.v. § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB (im Anschluss an OLG Frankfurt OLGReport Frankfurt 2004, 325).
2. Nach § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB beginnt deshalb - in den Grenzen des Rechtsmissbrauchs - die Hemmung erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt.
Normenkette
ZPO §§ 411, 485, 492; BGB § 204 Abs. 2 Sätze 2-3
Verfahrensgang
LG Kiel (Aktenzeichen 9 OH 20/08) |
Tenor
Die Entscheidung, das selbständige Beweisverfahren abzurechnen und wegzulegen, wird aufgehoben.
Das Verfahren ist in Ausführung des Beschlusses vom 27.11.2009 in der Fassung des Beschlusses vom 4.1.2010 durch Einholung ergänzender Stellungnahmen zu 1) bis 4) und Ausführung des Beweisbeschlusses vom 24.9.2008 zu Punkt III. und IV. fortzusetzen. Die insoweit erforderlichen Anordnungen werden dem LG übertragen.
Gründe
Die Beschwerde ist gem. § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, § 569 ZPO. Mit der Entscheidung, das selbständige Beweisverfahren abzurechnen und wegzulegen, die ausweislich der abschließenden Streitwertfestsetzung vom 26.8.2010 und des Nichtabhilfebeschlusses vom 3.12.2010 von der zuständigen Kammer des LG getroffen, den Parteien dann aber nur in Form von Verfügungen des Vorsitzenden vom 6.9. und 14.9.2010 mitgeteilt worden ist, ist nicht nur die Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens festgestellt worden. In der Sache handelt es sich um die Zurückweisung der Ergänzungsfrage der Antragstellerin, die Gegenstand des ergänzenden Beweisbeschlusses vom 4.1.2010 ist, sowie um die Entscheidung, die Beweisaufnahme zu Punkt III. und IV. des Beweisbeschlusses vom 24.9.2008, die Gegenstand des Beweisbeschlusses vom 27.11.2009 ist, nicht durchzuführen. Wenn aber schon die Zurückweisung von Anträgen und Ergänzungsfragen zu einem eingeholten Gutachten beschwerdefähig ist (§§ 492 Abs. 1, 411 Abs. 4 ZPO), dann gilt dies erst Recht für die Entscheidung, eine schon beschlossene Beweisaufnahme gar nicht erst durchzuführen.
Die Beschwerde ist auch begründet. Das selbständige Beweisverfahren ist noch nicht beendet. Ein selbständiges Beweisverfahren ist beendet, wenn die Beweissicherung sachlich erledigt ist. Erfolgt die Beweiserhebung durch ein schriftliches Sachverständigengutachten, ist das selbständige Beweisverfahren mit dessen Übersendung an die Parteien beendet, wenn weder das Gericht nach § 411 Abs. 4 Satz 2 ZPO eine Frist zur Stellungnahme gesetzt hat noch die Parteien innerhalb eines angemessenen Zeitraums Einwendungen dagegen oder das Gutachten betreffende Anträge oder Ergänzungsfragen mitgeteilt haben. In den letztgenannten Fällen ist das selbständige Beweisverfahren nach Eingang der Stellungnahmen oder Erledigung der Anträge oder Ergänzungsfragen beendet. Die gem. § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB eingetretene Hemmung der Verjährung durch Zustellung des Antrags auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens endet dann gem. § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB sechs Monate nach diesem Beendigungszeitpunkt (vgl. BGH, Urt. v. 28.10.2010 - VII ZR 172/09, MDR 2011, 185 = BauR 20111, 287, Rz. 10, 11 bei juris).
Der Senat ist mit dem OLG Frankfurt (Beschl. v. 23.7.2004 - 1 W 48/04, OLGR 2004, 325) der Auffassung, dass der Fall der nicht rechtzeitigen Zahlung des Kostenvorschusses nicht ein Fall der Beendigung des selbständigen Verfahrens im eben dargestellten Sinn, sondern ein Nichtbetreiben des Verfahrens i.S.v. § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB ist. Nach § 204 Abs. 2 Satz 3 BGB beginnt die Hemmung erneut, wenn eine der Parteien das Verfahren weiter betreibt. Das OLG Frankfurt, a.a.O., hat hierzu ausgeführt:
"Einer solchen Handhabung stehen rechtliche Bedenken nicht entgegen. Die oben angeführte Rechtsprechung zur Beendigung des selbständigen Beweisverfahrens folgt aus dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit für die Frage des Laufs einer Verjährungshemmung. Da für den - hier gegebenen - Fall des Nichtbetreibens des Verfahrens § 204 Abs. 2 Satz 2 BGB eine spezielle, detaillierte Regelung darüber enthält, an welche tatsächlichen Gegebenheiten in einem derartigen Fall anzuknüpfen ist, ist der Rechtsicherheit Genüge getan, ohne dass es einer Gleichstellung der Nichtzahlung eines Kostenvorschusses mit den dargestellten Beendigungsgesichtspunkten nach Erstattung des Sachverständigengutachtens bedarf ... Eine solche Handhabung auf der Grundlage des § 204 Abs. 2 Satz 2 und 3 BGB entspricht auch der Interessenlage der Parteien des selbständigen Beweisverfahrens. Denn auf diese Weise wird durch eine Ergänzung des bereits vorhandenen Gutachtens zusätzliche Klarheit über das Beweisthema geschaffen, ohne dass es eines neuen selbständigen Beweisverfahrens oder der weiteren Begutachtung in einem späteren Hauptsacheverfahren bedarf. Inwieweit es mit dem Charakter des selbständigen Beweisverfahrens als ein...