Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässigkeit einer "Berliner Räumung" bei fehlendem Vermieterpfandrecht

 

Normenkette

BGB §§ 562, 858, 861, 866; ZPO §§ 567, 885 Abs. 4, §§ 885a, 935

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Beschluss vom 21.10.2014)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsteller vom 21.10.2014 werden der die beantragte einstweilige Verfügung zurückweisende Beschluss der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des LG Kiel vom 21.10.2014 sowie der Nichtabhilfebeschluss vom 23.10.2014 aufgehoben.

Dem Antragsgegner wird aufgegeben, den Antragstellern den am 22.9.2014 durch Austausch der Türschlösser entzogenen Besitz an dem Grundstück ... einstweilen wieder einzuräumen, alle zwischenzeitlich etwa entfernten Gegenstände zurückzubringen und den Antragstellern durch die Übergabe der Haustürschlüssel ungehinderten Zugang zu dem Grundstück und dem Wohnhaus zu ermöglichen.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des einstweiligen Verfügungsverfahrens und des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 6.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller begehren im Wege einer einstweiligen Verfügung die Einräumung des unmittelbaren Besitzes an dem Hausgrundstück L. in G.

Der Antragsteller zu 1. war Eigentümer dieses Grundstücks und hatte das Haus zusammen mit seiner Ehefrau, der Antragstellerin zu 2., seit 1990 bewohnt.

Der Antragsgegner ist durch Zuschlagsbeschluss des AG N. vom 20.2.2014 (Az. 82 K xx/12) Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks geworden. Aus dem Zuschlagsbeschluss betrieb er sodann gegen den Antragsteller zu 1. die Zwangsvollstreckung. Mit Schreiben vom 26.8.2014 kündigte der zuständige Obergerichtsvollzieher L. gegenüber dem Antragsteller zu 1. die zwangsweise Räumung der Wohnung für den 22.9.2014 an. In dem Ankündigungsschreiben heißt es ferner:

"Ich weise ausdrücklich darauf hin, dass:

  • soweit es sich bei den in Ihren Räumen vorgefundenen Sachen um nicht lagerfähige Gegenstände handelt, werden diese der sofortigen Vernichtung zugeführt (Müll, Lebensmittel, Pflanzen etc.)
  • das Räumungsgut wird bis längstens zum 22.9.14 für Sie zur Abholung bereitgehalten. Sie können über die Sachen gegen Bezahlung der Kosten innerhalb dieser Zeit verfügen.
  • sollte bis zu diesem Zeitpunkt das Räumungsgut nicht abgefordert worden sein, werden alle nicht verwertbaren Gegenstände der Vernichtung zugeführt! Der verbleibende Rest wird verwertet. Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, dass die hierdurch entstehenden Kosten auch von Ihnen getragen werden müssen."

Am Tag der Zwangsvollstreckung (22.9.2014) ließen sich die Antragsteller aus gesundheitlichen Gründen durch ihren Sohn, den Zeugen H. L., vertreten. Entgegen der schriftlichen Ankündigung vom 26.8.2014 erklärte der zuständige Gerichtsvollzieher dem Zeugen sodann vor Ort, dass er eine sog. "Berliner Räumung" vornehmen werde, d.h. es sollte lediglich eine Herausgabevollstreckung mit Auswechslung der Türschlösser und Schlüsselübergabe an den Gläubiger stattfinden. Auf den Einwand des Zeugen, dass es keinen Vollstreckungstitel gegen die Antragstellerin zu 2. als Mitbesitzerin gäbe, erwiderte der zuständige Gerichtsvollzieher dass "ihm das egal sei". Der Zeuge konnte daraufhin nur noch ein paar persönliche Sachen sowie Schmuckteile der Antragsteller aus der Wohnung mitnehmen. Auf Veranlassung des Gerichtsvollziehers wurden sodann die Türschlösser ausgewechselt und alle Schlüssel dem Antragsgegner übergeben. Entgegen den Angaben im Räumungsprotokoll vom 22.9.2014 bestand zugunsten des Antragsgegners kein Vermieterpfandrecht nach § 562 BGB.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 9.10.2014 wurde der Antragsgegner aufgefordert, den Antragstellern den Besitz durch Herausgabe des Haustürschlüssels bis spätestens 10.10.2014 wieder einzuräumen. Dieser Aufforderung ist der Antragsgegner unstreitig nicht nachgekommen. Die Antragsteller beantragten am 17.10.2014 im Wege der einstweiligen Verfügung:

1. den Antragsgegner bei Meidung eines der Höhe nach in das Ermessen des Gerichts gestellten Ordnungsgeldes ersatzweise Ordnungshaft zu verpflichten, den Antragstellern den ihnen vom Obergerichtsvollzieher ... ausweislich des Vollstreckungsprotokolls vom 22.9.2014 durch rechtswidrige Herausgabevollstreckung (Austausch des Türschlosses und Übergabe eines Schlüssels zum neuen Türschloss) vermittelten Besitz zum Grundstück und Wohnhaus (einschließlich Inventar und persönlicher Habe der Antragsteller) in ... wieder einzuräumen, insbesondere durch Herausgabe aller im Besitz des Antraggegners befindlichen Schlüssel zum rechtswidrig am 22.9.2014 ausgetauschten Schloss der Tür zum dortigen Hausgrundstück,

2. alle zwischenzeitlich etwa entfernten Gegenstände zurückzubringen und den Antragstellern sofort ungehinderten Zugang zu dem Hausgrundstück und ins Haus zu ermöglichen durch Übergabe zumindest eines Haustürschlüssels,

3. dem Antragsgegner zu untersagen, selbst das Haus ohne Genehmigung der Antragsteller oder diese ersetzende rechtskräftige Entscheidung eines zuständigen Geri...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge