Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingeschränkter Vergaberechtsschutz trotz Ausschluss des eigenen Angebots

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Antragsbefugnis eines Bieters, der eine "Wettbewerbsverengung" in den Ausschreibungsbedingungen oder eine ungleiche Prüfung der Angebote geltend gemacht, ist gegeben, wenn er als "geeignete Maßnahmen" zur Beseitigung der (angenommenen) Rechtsverletzung die Wiederholung der Ausschreibung verlangt. Dies gilt unabhängig davon, ob der Bieter selbst ein auszuschließendes Angebot abgegeben hat.

2. Die Wiederholung des gesamten Vergabeverfahrens kann unter Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes beansprucht werden, wenn das bisherige Verfahren mit derart gravierenden Mängeln behaftet ist, dass diese im Rahmen einer chancengleichen und wettbewerbsgerechten Eignungs- und Angebotsprüfung nicht mehr heilbar sind.

3. Ein Bieter kann die Streichung bestimmter "wettbewerbsverengender" Vergabebedingungen nicht beanspruchen, wenn sein Angebot auszuschließen wäre, so dass es an einer Wiederholung der Angebotswertung nicht teilnehmen dürfte. Dies gilt auch dann, wenn sämtliche Angebote mit Mängeln behaftet sein sollten, die zum Angebotsausschluss führen müssen.

4. Das Gleichbehandlungsgebot vermittelt jedem Bieter einen Anspruch darauf, dass alle Angebote nach gleichen Grundsätzen und Maßstäben auf (zwingende) Ausschlussgründe überprüft werden. Die Vergabestelle ist insoweit jedenfalls innerhalb des selben Vergabeverfahrens zu systemgerechtem Vorgehen verpflichtet.

 

Normenkette

Richtlinie des Rates vom 21.12.1989 89/665/EWG Art. 2 Abs. 1 lit. b; GWB § 97 Abs. 2, § 107 Abs. 2-3, § 112 Abs. 1 S. 2, § 123 S. 2; VOL/A § 21 Nr. 1 Abs. 1, § 25 Nr. 1

 

Verfahrensgang

Vergabekammer Schleswig-Holstein (Beschluss vom 07.03.2005; Aktenzeichen VK-SH 03/05)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der Vergabekammer Schleswig-Holstein vom 7.3.2005 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind erstattungsfähig.

 

Tatbestand

Die Antragsgegner sind 15 Kreise bzw. Städte in Schleswig-Holstein, die über einen "Koordinator" (im Folgenden: Vergabestelle) Krankenwagen beschaffen wollen.

Im Herbst 2004 schrieb die Vergabestelle die Lieferung der Fahrzeuge im offenen Verfahren nach der VOL/A in zwei Losen Europaweit aus; Nebenangebote waren nicht zugelassen.

Die Antragstellerin forderte die Verdingungsunterlagen an; sie wies anschließend auf "Unklarheiten" hin und bat dazu um Klarstellung. Die Vergabestelle nahm dazu in mehreren Schreiben Stellung. Anfang 2005 gab die Antragstellerin ein Angebot ab, dem eine selbst gefertigte "Erklärung zur Gewährleistung und Garantie" beigefügt war.

Auf ihren Nachprüfungsantrag erteilte die Vergabekammer erteilte einen Hinweis, dass der Antrag im Hinblick auf die beschränkte Gewährleistungserklärung der Antragstellerin offensichtlich unbegründet sei. Durch Beschl. v. 7.3.2005 wies sie den Nachprüfungsantrag ohne mündliche Verhandlung zurück.

Die dagegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragstellerin blieb ohne Erfolg.

Der Vergabesenat hat die Beigeladene auf ihren Antrag im Beschwerdeverfahren beigeladen.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Antragsgegner sind elf Landkreise und vier kreisfreie Städte in Schleswig-Holstein, die - über den "Koordinator-Rettungsdienst Schleswig-Holstein" beim Schleswig-Holsteinischen Landkreistag - Rettungstransportwagen beschaffen wollen. Die Kooperation (im Folgenden: Vergabestelle) ist gem. § 4 Abs. 2 GWB bei der Landeskartellbehörde angemeldet.

Am 23.9.2004 schrieb die Vergabestelle die Lieferung von Rettungstransportwagen im offenen Verfahren nach der VOL/A in zwei Losen aus; das vorliegende Verfahren betrifft das Los 2 (34 Wechselkoffer).

In der Ausschreibung sind als Zuschlagskriterien Preis, Qualität, Konstruktion, Wartung, Ausführungsfrist, Funktionalität, technische Beratung und Gestaltung genannt. In Anlage II Ziff. 4 der "Besonderen Vertragsbedingungen" (BVB) war eine Erklärung der Bieter hinsichtlich der Garantieleistungen und -Zeiträume gefordert. Bestandteil des abzuschließenden Vertrages sollte die VOL/B sein (Ziff. 1. 2 des Angebotsvordrucks). Nebenangebote waren nicht zugelassen.

Die Antragstellerin forderte am 6.10.2004 die Verdingungsunterlagen an. Am 20.10.2004 wies sie auf "Unklarheiten" hin und bat dazu um Klarstellung. Die Vergabestelle nahm dazu mit Schreiben vom 2.11.2004 und - auf erneutes Schreiben der Antragstellerin vom 12.11.2004 - mit Schreiben vom 15.12.2004 Stellung. Die Antragstellerin erhob am 28.12.2004 und am 12.1.2005 Rügen, auf die die Vergabestelle mit Schreiben vom 13. und 19.1.2005 antwortete.

Am 19.1.2004 gab die Antragstellerin ein Angebot zum Los 2 ab, dem eine selbst gefertigte und unterzeichnete "Erklärung zur Gewährleistung und Garantie" beigefügt war.

Mit dem am 3.2.2005 eingegangen Nachprüfungsantrag beanstandete die Antragstellerin, dass (geforderte) Aufklärungen durch die Vergabestelle nicht oder nur unzur...

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