Verfahrensgang
AG Lübeck (Beschluss vom 14.03.2016; Aktenzeichen 121 F 187/15) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 1. wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Lübeck vom 14.3.2016 im ersten Absatz seines Tenors aufgehoben, sodass die Beteiligte zu 1. wieder die alleinige elterliche Sorge für ihren am 5.4.2015 geborenen Sohn Dean Alexander P1 hat.
II. Den Beteiligten zu 3. und 6. wird aufgegeben, das Kind Dean Alexander P1 an die Beteiligte zu 1. herauszugeben.
III. Von der Erhebung von Gerichtskosten für die Beschwerde ist abzusehen. Die außergerichtlichen Kosten der Beschwerde trägt jeder Beteiligte selbst.
IV. Die Beteiligten werden darauf hingewiesen, dass bei der Zuwiderhandlung gegen den Vollstreckungstitel zur Herausgabe des Kindes Dean Alexander P1 gegenüber dem Verpflichteten Ordnungsgeld von bis zu 25.000 Euro oder Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angeordnet werden kann.
Gründe
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1. richtet sich gegen Maßnahmen des Familiengerichts, mit denen eine Trennung ihres Sohnes Dean Alexander von der elterlichen Familie verbunden ist.
1. Die Beteiligte zu 1. ist am 26.8.1989 in R1 geboren und bei ihrer Großmutter aufgewachsen, nachdem sie ihre Mutter infolge einer Erkrankung bereits im Alter von sechs Jahren verloren hatte. Ihren derzeit in R2 lebenden Vater hat sie erst im Alter von dreizehn Jahren kennengelernt. Er war oder ist Alkoholiker. Ein Bruder der Beteiligten zu 1. lebt in M1. Nach Erreichen der mittleren Reife hat sie eine Lehre als Bäckereifachverkäuferin abgeschlossen und in diesem erlernten Beruf ein Jahr in W1 gearbeitet. Eine sich anschließende Ausbildung zur Sicherheitsfachkraft in H1 hat die Beteiligte nicht abschließen können, da sie die Prüfung nicht bestanden hat. Derzeit arbeitet die Beteiligte zu 1. in Vollzeit in einem Altersheim im Schichtdienst. Jedes zweite Wochenende hat sie frei. Daneben macht die Beteiligte zu 1. eine Weiterbildung zur Pflegefachkraft für Kinder unter drei Jahren. Sie lebt allein in einer gemieteten 3-Zimmer-Wohnung in L1. Die Beteiligte zu 1. ist seit dem 21. Juni 2016 in therapeutischer Behandlung mit wöchentlichen Therapiestunden bei Dr. E1.
2. Der am 11. Mai 1982 in G1 (Bosnien-Herzegowina) geborene Beteiligte zu 2. hat die Vaterschaft für Dean Alexander anerkannt. Er hat aus seiner geschiedenen Ehe mit Jenny H2 den Sohn Sam-Jeremy (geboren am 17. Juni 2007). Sorgeerklärungen haben er und die Beteiligte zu 1. für Dean Alexander nicht abgegeben. Der Beteiligte zu 2. ist wohnhaft in L1. Über ihn ist ansonsten nichts bekannt, nachdem er in den Terminen zur mündlichen Erörterung, die das Familiengericht und der Senat durchgeführt haben, nicht erschienen ist.
3. Die Beteiligten zu 3. sind seit 15. April 2016 die Pflegeväter von Dean Alexander, der zuvor neun Monate bei einer Bereitschaftspflegemutter untergebracht war. Sie haben eine Lebenspartnerschaft begründet. Der Beteiligte zu 3. Markus J1 ist als IT-Leiter in H1 beschäftig und hat seine Arbeitszeit auf 50 % verringert. Der Beteiligte zu 3. Ralf J1 ist Soldat auf Zeit und befindet sich in Elternzeit, sodass er vollständig für die Betreuung von Dean Alexander zur Verfügung steht. Die Beteiligten zu 3. leben zusammen mit Dean Alexander in einem von ihnen errichteten Einfamilienhaus in dem kleinen, ländlich gelegenen W2 bei L2. Die Beteiligten zu 3. beabsichtigen, sich um ein weiteres Pflegekind zu bemühen. Sie wünschen sich, zwei Kinder in Dauerpflege zu haben.
4. Die Beteiligten zu 1. und 2. lebten gemeinsam in einer in der F... 35 in L1 gelegenen 4-Zimmer-Wohnung. Beide waren in der Zeit des Zusammenlebens arbeitslos. Häufig war der Sohn des Beteiligten zu 2. Sam-Jeremy bei ihnen zu Besuch.
a. Nach dem Einsatzbericht der Polizei vom 1. Januar 2015 (743 Js 30477/15 JUG Staatsanwaltschaft bei dem LG Lübeck Bl. 15 f.) kam es in der gemeinsamen Wohnung zwischen den Beteiligten zu 1. und 2 zu so lauten Streitigkeiten, dass der Polizeieinsatz die Folge war. Die Polizei hat unter dem 2. Januar 2015 an die Beteiligte zu 5. (Erwachsenenhilfe; Veterinäramt) von dem beklagenswerten Zustand der Wohnung berichtet (743 Js 30477/15 JUG Staatsanwaltschaft bei dem LG Lübeck Bl. 15 f. und 18 f.). Alle Räumlichkeiten seien stark zugemüllt und verdreckt gewesen, auch durch zwei in der Wohnung gehaltene Katzen. Die Beteiligte zu 1. wolle in naher Zukunft eine eigene Wohnung beziehen. Die Beteiligten zu 1. und 2. lebten dennoch weiterhin zusammen.
b. Die Schwangerschaft der Beteiligten zu 1. mit Dean Alexander war belastet durch Übelkeit, Herzrasen und Kreislaufprobleme. Nach der Geburt von Dean Alexander in der Frauenklinik des Universitätsklinikums Schleswig-Holstein in L1 (UKSH) wurden bei der Beteiligten zu 1. frische Ritzverletzungen festgestellt. Nach einer Meldung der Hebamme, dass sie von den Beteiligten zu 1. und 2. nicht mehr in die Wohnung gelassen werden würde, konnte bei einem Hausbesuch durch eine Mitarbeiterin des Jugendamtes am 30. April 2015 eine Gefährdung des Kind...