Leitsatz (amtlich)

1. Der Eigentümer eines Grundstücks, das an keine Stelle eine Verbindung zu einem öffentlichen Weg hat, kann von einem Nachbarn die Einräumung eines Notwegerechts verlangen, das auch ein Fahrrecht mit Kraftfahrzeugen umfasst. In diesem Fall dürfen auch Kraftfahrzeuge auf dem gefangenen Grundstück abgestellt werden.

2. Bei der Entscheidung, von welchem Nachbarn der Eigentümer des gefangenen Grundstücks die Einräumung eines Notwegerechts verlangen kann, kommt es nicht in erster Linie auf die Entfernung zu einem öffentlichen Weg an.

 

Normenkette

BGB § 917 Abs. 1

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Lübeck vom 19.07.2021 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

 

Gründe

I. Die Kläger verlangen von dem Beklagten die Einräumung eines Notwegerechts in Form eines Fahrrechts mit Kraftfahrzeugen und die Beseitigung eines Hindernisses an der Grundstücksgrenze.

Die Kläger sind Eigentümer der Grundstücke X n (Klägerin zu 1.) und X m (Kläger zu 2. und 3.) in Z, die jeweils keine Verbindung zu einer öffentlichen Straße aufweisen. Die Zufahrt erfolgte jahrelang über das Grundstück X o. Ein Wegerecht ist im Grundbuch nicht eingetragen. Zu Gunsten des Grundstückes der Kläger zu 2. und 3. ist jedoch auf dem Grundstück der Klägerin zu 1. ein Wegerecht eingetragen.

Der Beklagte ist Eigentümer des Grundstücks X o. Es ist mit einem Mehrfamilienhaus mit vier Wohneinheiten bebaut, die der Beklagte vermietet hat. Hinter dem Haus liegen Parkplätze, die jedenfalls von zwei Mietparteien genutzt werden.

Die Zuwegung zu den Grundstücken der Kläger und zu den Parkplätzen befindet sich zwischen dem Gebäude und der Grundstücksgrenze. Sie ist nur von geringer Breite und wird in der Höhe durch den Dachüberstand begrenzt (Fotos Bl. 16, 17, 43 d. A.).

Im Jahr 2020 hat der Beklagte einen Klapppfahl an der Grenze zwischen seinem Grundstück und dem Grundstück der Klägerin zu 1. aufgestellt, um die Zufahrt mit Kraftfahrzeugen zu den Grundstücken der Kläger zu verhindern. Die Nutzung der Zuwegung zu Fuß oder mit dem Rad wird von ihm nicht behindert.

Die Kläger haben von dem Beklagten die Duldung des Befahrens seines Grundstücks mit Kraftfahrzeugen sowie die Entfernung des Klapppfahls und ein Unterlassen des Blockierens der Zufahrt zu den Grundstücken verlangt. Der Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Der Beklagte hat behauptet, auf der Straße X seien ausreichend Stellplätze für die Fahrzeuge der Kläger vorhanden. Die Hauseingänge der von ihm vermieteten Wohneinheiten mündeten direkt auf die Zufahrt, so dass es eine Unfallgefahr, insbesondere für Kinder, gebe, wenn dort Fahrzeuge vorbeiführen.

Das Landgericht, auf dessen Urteil wegen der näheren Einzelheiten gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat unter Abweisung der Klage im Übrigen den Beklagten zur Duldung des Befahrens seines Grundstücks mit Kraftfahrzeugen mit einer Geschwindigkeit von nicht mehr als 5 km/h durch die Kläger, die ständigen Bewohner der Häuser auf deren Grundstücken, Ver- und Entsorgungsfahrzeuge sowie die Fahrzeuge von Handwerkern und Lieferanten und zur Entfernung des Klapppfahls und Unterlassung des Blockierens der Zufahrt verurteilt. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, den Klägern stehe ein Notwegerecht zu. Ihre Grundstücke hätten keine Verbindung zu einem öffentlichen Weg. Sie seien nicht darauf zu verweisen, ein anderes Grundstück in Anspruch zu nehmen, weil nicht erkennbar sei, dass dies für dessen Eigentümer weniger belastend sei. Es gebe keinen wesentlich kürzeren Weg zu einer öffentlichen Straße. Das Grundstück des Beklagten sei bereits genutzt worden, was von ihm geduldet worden sei. Die Nutzung durch Kraftfahrzeuge sei zu dulden. Notwendig sei das Befahren mit PKW der Eigentümer und Bewohner sowie von Ver- und Entsorgungsfahrzeugen, Lieferfahrzeugen und Handwerkerfahrzeugen. Zur schonenderen Nutzung des Grundstücks des Beklagten seien die Fahrzeuge in Schrittgeschwindigkeit zu führen. Das Befahren durch Besucher oder Paketdienste sei nicht notwendig.

Zur Begründung seiner frist- und formgerecht eingereichten und begründeten Berufung trägt der Beklagten im Wesentlichen vor, das Landgericht differenziere nicht zwischen den Klägern. Während die Klägerin zu 1. auf ihrem Grundstück ihren festen Wohnsitz unterhalte, nutzten die Kläger zu 2. und 3. ihr Grundstück nur zu Ferienzwecken.

Der Klageantrag sei nicht hinreichend bestimmt. Er stehe nicht mit den örtlichen Verhältnissen in Einklang. Die Wegfläche gestatte kein Befahren mit leichten Lastkraftwagen oder Rettungswagen.

Das Grundstück der Kläger zu 2. und 3. sei 75 m von der Straße X entfernt, aber nur 50 m von der Straße Y, so dass dies die vorzugswürdige Verbindung sei. Ein Notwegerecht für zwei Grundstücke sei für sein Grundstück belastender. Dort seien zudem vier Mietparteien betroffen.

Die Kläger hätten kein unabweisbares ...

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