Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufklärungs- und Belehrungspflichten eines Notars bei Aufhebung eines Erbvertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Aufklärungs- und Belehrungspflicht eines Notars bei der Aufhebung eines Erbvertrages.
2. Zur Reichweite der rechtlichen Bindung eines Erblassers durch einen Erbvertrag betreffend einen Hof im Sinne der Höfeordnung.
3. Zur Zulässigkeit einer Teilklage.
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 21.03.2003; Aktenzeichen 6 O 290/02) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das am 21.3.2003 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 6. Zivilkammer des LG Itzehoe wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 77.000 Euro.
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten im Wege der Teilklage auf Schadensersatz wegen Notaramtspflichtverletzung in Anspruch. Sie wirft ihm vor, im Zusammenhang mit der Aufhebung eines Erbvertrages und einer zu ihren Gunsten getroffenen letztwilligen Verfügung betreffend eines Hofes in B. - beides mit Urkunden des Beklagten vom 6.1.1988 - ihren verstorbenen Vater Johannes M. und ihren ebenfalls verstorbenen Halbbruder K.M.St. falsch beraten zu haben, weil er übersehen habe, dass der Erbvertrag nicht mehr habe aufgehoben werden können. Aufgrund der Pflichtverletzung des Beklagten sei es nicht zum Abschluss eines Überlassungsvertrages unter Lebenden zu ihren Gunsten gekommen.
Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien erster Instanz und ihrer dortigen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich sämtlicher dortiger Bezugnahmen verwiesen.
Das LG ist der Argumentation der Klägerin gefolgt und hat der Klage aus § 19 Abs. 1 S. 1 BNotO stattgegeben. Hiergegen wendet sich die fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Beklagten.
Der Beklagte macht geltend: Die Klage sei unzulässig. Es liege eine Teilklage vor, bei der nicht deutlich gemacht worden sei, welcher Teil der angeblichen Gesamtforderung begehrt werde.
Dem Beklagten könne kein Vorwurf gemacht werden, den Vater und Halbbruder unzureichend belehrt zu haben, weil die genannten Beteiligten ihm den Erbvertrag nicht vorgelegt hätten.
Das LG sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Beklagte dazu verpflichtet gewesen sei, die genannten Herren dahingehend zu beraten, es könne in Abweichung von dem Erbvertrag ein Überlassungsvertrag mit der Klägerin geschlossen werden. Ein solcher Überlassungsvertrag sei nämlich gem. den §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 2 der HöfeO ebenfalls eine Bestimmung des Hoferbens im Wege der vorweggenommenen Erbfolge. Er wäre deshalb in entsprechender Anwendung des § 2289 Abs. 1 S. 2 BGB in gleicher Weise unwirksam gewesen wie eine letztwillige Verfügung, die die Rechte eines Vertrageserbens beeinträchtige. Es fehle mithin jedenfalls an der Kausalität einer etwaigen Pflichtverletzung.
Es sei auch nicht die Aufgabe des zur Neutralität verpflichteten Notars, Beteiligte dahingehend zu beraten, dass das Recht anderer Beteiligter - hier der Vertragserbin Frau K. - beeinträchtigt oder vereitelt würde. Schon gar nicht sei es Aufgabe des Notars, im Einzelnen zu überlegen und dahingehend zu beraten, wie man hier der Rechtsfolge des § 2287 BGB hätte entgehen können.
Der Beklagte behauptet, die Herren St. und M. seien nicht bereit gewesen, einen Überlassungsvertrag unter Lebenden - gar unter vorheriger Erklärung der Aufgabe der Hofeigenschaft - abzuschließen. Schon vor der Beurkundung im Januar 1988 sei im Übrigen ausgemacht gewesen, dass ein Testament und ein Aufhebungsvertrag betreffend den ursprünglichen Erbvertrag beurkundet werden solle. Auch die Klägerin sei nicht bereit gewesen, sich hinsichtlich der Hege und Pflege der beiden Herren rechtlich zu binden. Schon gar nicht sei ihr Ehemann bereit gewesen, die Erbringung der Hege- und Pflegeleistung als Teil des Altenteils auch in das Grundbuch betreffend seinen eigenen Hof in Bi. eintragen zu lassen. Dann aber wäre der Abschluss eines Überlassungsvertrages gescheitert. Es werde auch mit Nichtwissen bestritten, dass die Klägerin die Herren M. und St. in dem behaupteten Umstand gepflegt habe. Mit Nichtwissen werde zudem bestritten, dass die Herren im Jahre 1994 auf dem Hof in Bi. aufgenommen worden seien. Es solle aber nicht bestritten werden, dass sie zu irgendeinem anderen Zeitpunkt dort Aufnahme gefunden hätten. 1996 habe Herr T. - der Ehemann der Klägerin - ihm, dem Beklagten, telefonisch erzählt, dass die beiden Erblasser nunmehr in Bi. aufgenommen wären.
Der Beklagte bestreitet die Höhe des Schadens und rügt die Annahme des LG, allein aus der Angabe des Hofwertes im Zusammenhang mit dem von ihm beurkundeten Testament vom 6.1.1988 (200.000 DM) lasse sich ein Verkehrswert von mindestens 77.000 Euro...