Leitsatz (amtlich)
Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB kann ohne die verzugsbegründenden Voraussetzungen des § 1613 Absatz 1 BGB rückwirkend für ein Jahr geltend gemacht werden.
Normenkette
BGB § 1613 Abs. 1-2, § 1615l
Verfahrensgang
AG Lübeck (Urteil vom 08.01.2003; Aktenzeichen 122 F 163/02) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des AG – FamG – Lübeck vom 8.1.2003 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Urteil hat das FamG den Beklagten verurteilt, an die Klägerin rückständigen und laufenden Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB ab 10.12.2001 zu zahlen. Mit der Berufung wendet sich der Beklagte allein gegen die Verurteilung zur Zahlung des rückständigen Betreuungsunterhaltes für die Zeit vom 10.12.2001 bis 28.2.2002 in Höhe eines Gesamtbetrages von 1.250,57 Euro.
Der Beklagte rügt, er sei erst mit Schreiben des Jugendamtes der Hansestadt Lübeck vom 27.2.2002, zugegangen am 1.3.2002, zur Zahlung von Betreuungsunterhalt aufgefordert worden. Bis einschließlich Februar 2002 fehle es daher am erforderlichen Verzug gemäß § 1613 BGB.
II. Die zulässige Berufung des Beklagten hat in der Sache keinen Erfolg. Der Klägerin steht auch für die Zeit ab 10.12.2001 bis einschließlich Februar 2002 rückständiger Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB in der ausgeurteilten Höhe zu.
1. Die Klägerin hat den Beklagten allerdings vor dem 1.3.2002 – Zugang des Schreibens des Jugendamtes der Hansestadt Lübeck vom 27.2.2002 – nicht zur Zahlung von Betreuungsunterhalt aufgefordert und damit nicht wirksam in Verzug gesetzt. Ihre Anhörung vor dem Senat hat ergeben, dass die Parteien weder vor noch nach der Geburt ihres am 14.10.2001 geborenen Kindes Ella über Betreuungsunterhalt der Klägerin gemäß § 1615l BGB gesprochen haben. Die Klägerin hat vom Jugendamt der Hansestadt Lübeck erfahren, dass sie neben Kindesunterhalt für Ella Betreuungsunterhalt für sich verlangen könne. Das sei aber erst möglich, wenn mit dem Vaterschaftsanerkenntnis alles geklärt sei. Nachdem der Beklagte am 22.1.2002 die Vaterschaft anerkannt und die Klägerin am 29.1.2002 dem Vaterschaftsanerkenntnis zugestimmt hat, hat das Jugendamt dann mit dem erwähnten Schreiben vom 27.2.2002 den Beklagten einerseits zur Zahlung von Kindesunterhalt und andererseits – erstmalig – zur Zahlung von Betreuungsunterhalt für die Klägerin aufgefordert.
Die Klägerin kann aber gleichwohl auch ohne Verzug den von ihr ab 10.12.2001 (9.12.2001: Ende des Mutterschaftsgeldbezuges) beanspruchten Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB verlangen. Das ergibt die Auslegung der Vorschriften der §§ 1615l Abs. 3 S. 1 und S. 4 BGB i.V.m. § 1613 Abs. 2 BGB.
§ 1615l Abs. 3 S. 1 BGB verweist auf die „Vorschriften über die Unterhaltspflicht zwischen Verwandten” entsprechend. Durch diese Verweisung ist ohne weiteres § 1613 BGB mit all seinen Absätzen anwendbar. Der Gesetzgeber hat dann aber weiter in § 1615l Abs. 3 S. 4 ausdrücklich § 1613 Abs. 2 BGB als entsprechend anwendbar erklärt, obwohl § 1613 Abs. 2 BGB – wie erwähnt – schon über die Verweisung in § 1615l Abs. 3 S. 1 BGB analog anwendbar ist.
Nach Auffassung des Senats ist die spezielle Verweisung in § 1615l Abs. 3 S. 4 BGB auf § 1613 Abs. 2 BGB kein gesetzgeberisches Versehen, sondern der – allerdings unvollkommene – Ausdruck dafür, dass Betreuungsunterhalt gemäß § 1615l BGB rückwirkend für ein Jahr nach Entstehung des Anspruchs ohne die verzugsbegründenden Voraussetzungen des § 1613 Abs. 1 BGB verlangt werden kann. Was der Gesetzgeber mit der speziellen Verweisung auf § 1613 Abs. 2 BGB wollte, ergibt sich aus der amtlichen Begründung zu diesem Gesetz (BT-Drucks. V/2370, 57). In dieser amtlichen Begründung der Bundesregierung heißt es wie folgt:
„Der Geltendmachung des Unterhaltsanspruchs der Mutter des Kindes gegen den Vater können ähnliche Schwierigkeiten wie bei Unterhaltsansprüchen des unehelichen Kindes und bei Sonderbedarf entgegenstehen. Auch hier wird es … oft nicht möglich sein, den Unterhaltsverpflichteten vor Entstehung des Anspruchs in Verzug zu setzen oder zu verklagen. Deshalb sollen die Unterhaltsansprüche der Mutter unter denselben Voraussetzungen wie die des Kindes auch für die Vergangenheit geltend gemacht werden können. Wegen der starken Erweiterung des Unterhaltsanspruchs der Mutter erscheint es aber im Interesse des Vaters geboten zu verhindern, dass der Anspruch noch nach unangemessen langer Zeit geltend gemacht werden kann. Die nach § 1613 Abs. 2 (des Entwurfs) für Sonderbedarf geltende Einschränkung, dass nach Ablauf eines Jahres seit Entstehung des Anspruchs Unterhalt nur verlangt werden kann, wenn vorher der Verpflichtete in Verzug gekommen oder der Anspruch rechtshängig geworden ist, soll daher für den gesamten Unterhaltsanspruch der Mutter des Kindes entsprechend gelten (S. 4 des Entwurfes)….”
Auch wenn die Gesetzesfassung missglückt ist, wird der Wille des Gesetzgebers deutlich, dass die Kindesmutter nach § 1615l BGB ein Jahr lang ohne die verzugsbeg...