Leitsatz (amtlich)
1) Die Vorschriften des Stromeinspeisungsgesetzes über die privilegierte Vergütung von Strom aus erneuerbaren Energien und mit dem Gemeinschaftsrecht und dem Grundgesetz vereinbar.
2) Die Aussetzung des Verfahrens ohne gleichzeitige Vorlage an das Bundesverfassungsgericht sollte in aller Regel auch dann unterbleiben, wenn die Verfassungsmäßigkeit eines entscheidungserheblichen Gesetzes – hier die §§ 2, 3, 4 Stromeinspeisungsgesetz – bereits Gegenstand einer – in anderer Sache – anhängigen Verfassungsbeschwerde oder Richtervorlage ist (Abgrenzung zu BGH; Beschluß vom 25.3.98 VIII ZR 337/97, WRP 98, 787 und OLG Schleswig, Beschluß vom 28.5.99, 1. Zivilsenat – 1 U 157/97 –)
Orientierungssatz
Privilegierte Vergütung für Stromeinspeisung verfassungsgemäß
Normenkette
EGVtr Art. 87 Abs. 1, Art. 88 Abs. 3 Sätze 1, 3, Art. 88; GG Art. 12 Abs. 1
Beteiligte
Ministerium für Finanzen und Energie des Landes Schleswig-Holstein, Abt. Energiewirtschaft/Energiekartellrecht |
Verfahrensgang
LG Kiel (Entscheidung vom 12.11.1997; Aktenzeichen 14 O Kart 60/97) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 12. November 1997 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen I des Landgerichts Kiel als Kartellkammer (14 O Kart 60/97) abgeändert, soweit nicht der Senat durch das rechtskräftige Teilurteil vom 25. August 1998 die Berufung bereits zurückgewiesen hat.
Es wird festgestellt, daß die Beklagte für den Zeitraum ab dem 29. April 1998 (einschließlich) verpflichtet ist, für die von der Klägerin unter Verwertung von Abfallstoffen der Land- und Forstwirtschaft erzeugte und in das Netz der Beklagten eingespeiste elektrische Energie die sich aus dem Stromeinspeisungsgesetz ergebende Mindestvergütung auch insoweit zu zahlen, als die Klägerin auf landwirtschaftliche Produkte zurückgehende „Kofermente” energetisch verwertet.
Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Parteien können die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung in Höhe von 7.500 DM abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Beschwer der Beklagten wird auf über 60.000 DM festgesetzt.
Tatbestand
Die Klägerin betreibt seit Ende 1995 in S – im Versorgungsgebiet der Beklagten – eine Biogasanlage, in der aus Biomasse Strom erzeugt wird. Diese Biomasse setzt sich zu 75 – 80 % aus Gülle – einem unmittelbaren landwirtschaftlichen Abfallprodukt – und zu 20 – 25 % aus Abfallprodukten aus der gewerblichen Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten zusammen, wie beispielsweise Schlachterei- und Schlachthofabfälle, Küchenabfälle aus Kantinen und Großküchen, Abfälle aus der fischverarbeitenden Industrie, verdorbene Lebensmittel (Konserven und Tiefkühlkost), Abfälle aus der Herstellung von Konserven oder Marmeladen, Traiber, Schlempe und Maische aus Brennereien oder Brauereien sowie Bleicherden aus der Margarine- und Speiseölherstellung. Die Beklagte nimmt auf der Grundlage der vertraglichen Beziehungen zwischen den Parteien den gewonnenen Strom ab. Die Parteien streiten (nur) darum, ob die Klägerin auch insoweit die privilegierten Preise nach dem Stromeinspeisungsgesetz verlangen kann, als sie der Gülle die genannten weiteren Abfallstoffe aus der gewerblichen Verarbeitung von landwirtschaftlichen Produkten (sogenannte Kofermente) hinzusetzt.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen,
daß die Beklagte verpflichtet ist, für die von ihr unter Verwertung von Abfallstoffen der Land- und Forstwirtschaft erzeugte und in das Netz der Beklagten eingespeiste elektrische Energie die sich aus dem Stromeinspeisungsgesetz ergebende Mindestvergütung auch dann zu zahlen, wenn die Klägerin neben Gülle auch auf landwirtschaftliche Produkte zurückgehende „Kofermente” energetisch verwertet.
Das Landgericht hat durch das angefochtene Urteil, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe nebst aller darin enthaltenen Verweisungen Bezug genommen wird, die Klage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Feststellungsbegehren weiterverfolgt. Im Laufe des Berufungsrechtszugs ist mit Wirkung vom 29. April 1998 das Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts (BGBl. I S. 734) in Kraft getreten. Dieses Gesetz hat auch das Stromeinspeisungsgesetz geändert. Privilegiert ist nach der jetzigen Fassung der §§ 1, 3 Stromeinspeisungsgesetz der „aus Biomasse” erzeugte Strom.
Durch das rechtskräftige Teilurteil vom 25. August 1998, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe nebst aller darin enthaltenen Verweisungen ebenfalls verwiesen wird, hat der Senat die Berufung der Klägerin für den Zeitraum bis zum Inkrafttreten der Neufassung des Stromeinspeisungsgesetzes (bis einschließlich 28. April 1998) zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Senat ausgeführt, daß die zulässige Feststellungsklage für ...