Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Anfechtbarkeit von Entnahmen eines Kommanditisten aus dem Vermögen der Gesellschaft
Normenkette
InsO § 133 Abs. 1, § 134 Abs. 1, § 135 Abs. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 06.07.2016) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 6.7.2016 verkündete Urteil des Einzelrichters der 6. Zivilkammer des LG Itzehoe abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des ersten Rechtszugs hat die Klägerin zu tragen. Von den Kosten des zweiten Rechtszugs haben die Klägerin 86 % und die Beklagte 14 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Klägerin und Beklagte können eine Vollstreckung durch die jeweils andere Partei abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Der Streitwert für die erste Instanz wird auf 28.796,22 EUR festgesetzt. Der Streitwert der zweiten Instanz beträgt 19.018,54 EUR.
Gründe
I. Die Klägerin ist die Verwalterin in dem auf Eigenantrag vom 30.8.2013 am 20.9.2013 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der ... GmbH & Co. KG (nachfolgend Schuldnerin). Die Beklagte ist mit einer Einlage von 9.500,00 DM (von insgesamt 10.000,00 DM) Kommanditistin der 1994 gegründeten Schuldnerin und zugleich - mit einem Anteil von 98 % - Gesellschafterin ihrer Komplementärin.
Vornehmlich unter dem Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung nimmt die Klägerin die Beklagte noch auf Rückgewähr von 23 Zahlungen über insgesamt 13.623,54 EUR in Anspruch, die in der Zeit vom 7.3.2012 bis zum 1.7.2013 von zwei Geschäftskonten der Schuldnerin geleistet wurden. Wegen der Zahlungen im Einzelnen wird auf die Aufstellung gemäß Seite 6f der Klagschrift vom 15.10.2014 Bezug genommen. Im Berufungsverfahren noch von Interesse sind die Zahlungen mit den Verwendungszwecken "Privatentnahme" und "DAK", die Klage auf Rückgewähr auch der weiteren Zahlungen hat das LG rechtskräftig abgewiesen.
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte als Kommanditistin der Schuldnerin berechtigt gewesen sei, die Privatentnahmen zu tätigen und unter dem Verwendungszweck "DAK" die von ihr geschuldeten Krankenversicherungsbeiträge aus dem Vermögen der Schuldnerin zu begleichen. Im Gesellschaftsvertrag der Schuldnerin ist geregelt, dass die Kommanditeinlagen gleichzeitig feste Kapitalanteile sind, die nur durch Gesellschaftsvertrag geändert werden können (§ 3 Abs. 3 GV). Die Einlage wird auf einem festen Kapitalkonto verbucht, das für jeden Kommanditisten die Beteiligung am Festkapital und am Gesellschaftsvermögen ausweist (§ 4 Abs. 2 GV). Daneben sieht der Gesellschaftsvertrag für jeden Kommanditisten ein variables Kapitalkonto vor, auf dem Gewinn- und Verlustanteile sowie Entnahmen verbucht werden (§ 4 Abs. 3 GV). Ohne einen Gesellschafterbeschluss mit einer Mehrheit von (mindestens) 51 % der Stimmen und nach den "ersten Geschäftsjahren" dürfen Kommanditisten von ihrem variablen Kapitalkonto, sofern dieses einen aktiven Bestand ausweist, bis zu 10.000,00 DM (5.112,92 EUR) monatlich entnehmen (§ 5 GV). Das variable Kapitalkonto der Beklagten (Konto Nr. 1708) wies zum 1.3.2012 einen Saldo zu ihren Gunsten in Höhe von 106.549,57 EUR aus und zum 6.9.2013 in Höhe von 114.210,00 EUR. Die Parteien streiten darüber, ob die Salden richtig ausgewiesen sind.
Die Klägerin behauptet, die Salden seien unrichtig. Wegen Verlusten der Schuldnerin aus ihrer Geschäftstätigkeit könne es kein Guthaben der Beklagten mehr gegeben haben. Die Klägerin ist deshalb der Ansicht, bei den noch im Streit stehenden 23 Zahlungen habe es sich um unentgeltliche Leistungen der Schuldnerin an die Beklagte gehandelt. Die Zahlungen seien nach § 134 Abs. 1 InsO anfechtbar. Die Anfechtbarkeit ergebe sich zudem aus § 133 Abs. 1 InsO und - für den Fall, dass der Saldo des variablen Kapitalkontos richtig ausgewiesen sein sollte - aus § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO. In Höhe ihrer Kommanditeinlage von 9.500,00 DM (4.601,63 EUR) sei die Beklagte zudem aus § 172 Abs. 4 HGB verpflichtet.
Das LG hat der Klage auf Rückgewähr der noch im Streit stehenden Zahlungen unter dem Gesichtspunkt der Schenkungsanfechtung nach § 134 Abs. 1 InsO stattgegeben. Der Bejahung des Merkmals der Unentgeltlichkeit stehe das von der Beklagten geltend gemachte Entnahmerecht nicht entgegen. Die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte habe schon nicht widerspruchsfrei zum Vorliegen einer entsprechenden Berechtigung nach dem Inhalt des Gesellschaftsvertrags vorgetragen. Im Übrigen hätte ein Guthaben auf dem variablen Kapitalkonto in der Krise der Schuldnerin wie ein Eigenkapital ersetzendes Darlehen behandelt werden müssen, so dass die streitgegenständlichen Auszahlungen jedenfalls gemäß § 135 InsO der Anfechtung unterlägen.
Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihr erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft....