Verfahrensgang
LG Flensburg (Urteil vom 11.10.2001; Aktenzeichen 8 O 129/01) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 11.10.2001 verkündete Urteil der Einzelrichterin der 8. Zivilkammer des LG Flensburg wird zurückgewiesen.
Der Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 9.378,36 Euro (= 18.342,48 DM).
Gründe
Die zulässige Berufung hat keinen Erfolg.
Die Klägerin hat gegen die Beklagten keinen Anspruch auf Schmerzensgeld, materiellen Schadensersatz und die begehrte Feststellung aus den §§ 823, 831, 847 BGB a.F. Es lässt sich nämlich nicht feststellen, dass eine Verkehrssicherungspflichtverletzung der Beklagten den Unfall der Klägerin verursacht hat. Da es dabei um die sog. haftungsbegründende Kausalität geht, obliegt es der Klägerin, den Vollbeweis zu erbringen. Eine ursächliche Verkehrssicherungspflichtverletzung käme allenfalls in Betracht, wenn sich der Unfall nach 8.05 h ereignet hätte. Die Klägerin kann aber nicht beweisen, dass sie nach diesem Zeitpunkt und nicht schon früher gestürzt ist.
Die Straßenreinigungspflicht und damit auch die Pflicht zur Schnee- und Eisbeseitigung obliegt im Grundsatz der Stadt Flensburg nach § 45 Abs. 3 Straßen- und Wegegesetz Schl. H.. Allerdings ist die Stadt nach dieser Norm berechtigt, die Schnee- und Eisbeseitigungspflicht auf die Anlieger zu übertragen. Dies ist mit ihrer Straßenreinigungssatzung vom 20.11.1990 geschehen. Auch der Umfang der Streupflicht richtet sich – weil die Beklagten nicht originär streupflichtig sind – allein nach den Bestimmungen des maßgeblichen Ortsrechts (vgl. BGH v. 27.11.1984 – VI ZR 49/83, MDR 1985, 311 = NJW 1985, 484).
§ 4 der genannten Ortssatzung enthält allgemeine Grundsätze über die Schneeräumungs- und Streupflicht. Abs. 3 dieser Norm behandelt die Schnee- und Glättebeseitigung auf Geh- und Radwegen, Abs. 5 diejenige im Bereich von Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel. Abs. 6 regelt allgemein, zu welcher Zeit die Verpflichtung zur Schnee- und Glättebeseitigung besteht.
Erst § 5 der Satzung enthält – dort in Absatz 1 – die Übertragung der Schneeräumungs- und Streupflicht hinsichtlich der Geh- und Radwege auf die Eigentümer der anliegenden Grundstücke. In dieser Vorschrift selbst findet sich keine genauere zeitliche Regelung. Nach dem Aufbau der Satzung kann allerdings keinem Zweifel unterliegen, dass § 4 die allgemeine Vorschrift darstellt und § 5 eine speziellere Regelung enthält. Da § 5 zu dem zeitlichen Umfang der Räum- und Streupflicht nichts weiteres bestimmt, verbleibt es insoweit bei § 4 – hier Abs. 6 – der Satzung. Mithin gilt gerade für auch für die Anlieger, was diese Vorschrift zum zeitlichen Umfang der Räum- und Streupflicht bestimmt:
„Die Verpflichtung zur Schnee- und Glättebeseitigung besteht zwischen 8.00 und 20.00 Uhr, Sonn- und Feiertags zwischen 9.00 und 20.00 Uhr. Innerhalb dieser Zeit ist Neuschnee sofort nach beendeten Schneefall und Eisglätte unverzüglich nach ihrem Auftreten zu beseitigen.”
Dann aber musste der Unfallbereich hier nicht vor 8.05 h von den Beklagten abgestreut sein. Für öffentlich-rechtliche Satzungen, die den Bürgern Pflichten auferlegen, gilt nämlich ein strenger Bestimmtheitsgrundsatz in dem Sinne, dass die Bürger als Normadressaten aus der Satzung unzweifelhaft erkennen müssen, welche Handlungen ihnen konkret abverlangt werden (OLG Hamm v. 30.11.1989 – 27 U 127/89, VersR 1991, 1419; OLG Schleswig, Urt. v. 13.8.1998 – 11 U 194/96; Urt. v. 3.6.1999 – 11 U 76/97; sowie Geigel a.a.O., § 14 Rz. 168). Aus der Formulierung der genannten Satzung ergibt sich, dass die Anlieger erst ab 8.00 Uhr räum- und streupflichtig sind. Die etwa schon vor 8.00 Uhr entstandene Glätte muss deshalb nicht etwa bis 8.00 Uhr bereits beseitigt sein, sondern vielmehr beginnt die Räum- und Streupflicht eben erst ab 8.00 Uhr.
Eine Warte- und Beobachtungszeit kann den Anliegern allerdings ab 8.00 h nicht mehr eingeräumt werden. Nur für den Sonderfall der nach Ende eines Schneefalles bzw. eines andauernden Eisregens zu erledigenden Streu- und Räumungspflicht ist auch in der Rechtssprechung des Senats anerkannt, dass sie erst nach einer angemessenen Wartezeit einsetzt. Diese Wartezeit umfasst eine Beobachtungszeit, in der der Streupflichtige Gelegenheit hat, näher festzustellen, ob der anhaltende Eisregen/Schneefall tatsächlich zu Ende ist, eine weitere Zeit zur organisatorischen Vorbereitung der Streu- und Räumarbeiten sowie schließlich noch einen angemessenen Zeitraum für die Streuarbeiten selbst (OLG Schleswig VersR 1975, 431 sowie OLG Schleswig, Urt. v. 15.5.2001 – 11 U 14/2000; OLG Brandenburg v. 28.9.1999 – 2 U 11/99, OLGReport Brandenburg 1999, 419 [420] = MDR 2000, 159). Das gilt aber nicht für die nach Satzung mit einem bestimmten morgendlichen Zeitpunkt einsetzende Räum- und Streupflicht (für den Fall in der Nacht entstandener Glätte bzw. nächtlichen Schneefalls). Allerdings hat der damalige 5. Senat des OLG Schleswig im zi...