Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung aus wichtigem Grund bei verweigerter Anpassung eines Bauvertrages

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Auftraggeber eines Bauvertrages kann diesen aus wichtigem Grund kündigen, wenn der Auftragnehmer eine berechtigte Anpassung des Bauvertrages im Falle einer Störung der Geschäftsgrundlage verweigert.

2. Auch über die in § 2 Nr. 3 VOB/B bei Mengenabweichungen vorgesehene Anpassung des Einheitspreises hinaus ist eine Anpassung des Einheitspreises nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) grundsätzlich möglich, wenn der Anfall lediglich einer bestimmten Menge Geschäftsgrundlage des Bauvertrages war (Fortführung Urteil des OLG Schleswig vom 10.10.2008 - 17 U 6/08; Anschluss an BGH, Beschl. v. 23.3.2011 - VII ZR 216/08, MDR 2011, 653).

 

Normenkette

BGB §§ 242, 313-314; VOB/B § 2 Nrn. 3, 8

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Urteil vom 23.07.2010; Aktenzeichen 11 O 22/06)

 

Tenor

Unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wird auf die Anschlussberufung der Beklagten das Urteil des Einzelrichters der 11. Zivilkammer des LG Kiel vom 23.7.2010 - 11 O 22/06 - wie folgt abgeändert:

Die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

 

Gründe

I. Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Klageziel, das auf Zahlung der vereinbarten Vergütung abzgl. ersparter Kosten für nicht ausgeführte Bauleistungen nach Teilkündigung eines Werkvertrages gerichtet ist, über die erfolgte Verurteilung der Beklagten hinaus weiter. Im Wege der Anschlussberufung begehrt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

In dem zu 17 U 6/08 (9 O 333/05 LG Kiel) geführten Parallelverfahren hinsichtlich der Vergütung der bis zur Teilkündigung ausgeführten Bauleistungen hat der Senat in seinem Urteil vom 10.10.2008 zum unstreitigen Sachverhalt folgendes ausgeführt:

"Die Klägerin, die ein auf Verkehrswegebauarbeiten spezialisiertes Tiefbauunternehmen betreibt, begehrt von der Beklagten Zahlung restlichen Werklohnes für Straßenbauarbeiten. Die Parteien streiten dabei vorliegend einzig um eine Position des zwischen ihnen geschlossenen Vertrages, die die Entsorgung von Abfällen betrifft.

Anfang des Jahres 2003 schrieb die Beklagte durch das Straßenbauamt Lübeck Arbeiten im Rahmen des Vorhabens zur grundhaften Erneuerung der BAB A 24 Hamburg-Berlin zwischen Kilometer 9,650 und Kilometer 16,002 aus. Gegenstand der Ausschreibung waren im Wesentlichen die provisorische Verbreiterung der Richtungsfahrbahn Hamburg und Entwässerungsarbeiten. Ausgeschrieben wurde u.a. auch die Vorbereitung des Baugeländes durch Abräumen, Roden von Wurzelstöcken, Fällen von Bäumen, Absägen von Ästen, Setzen von Buschwerk und Hecken auf den Stock sowie durch Entsorgung der angefallenen nicht schadstoffbelasteten Abfälle (Position 0.1.200001 - 0.1.200008, S. 109 des Anlagenkonvoluts K2 Anlagenband I). Zur Position 0.1.200008 sah das Leistungsverzeichnis vor:

"Nichtschadstoffbelasteten Abfall entsorgen.

Abgerechnet wird nach Wiegescheinen.

Abfall aufnehmen, fördern und abladen.

Abfall, Busch, Hecken- und Schnittgut der OZ 0.1.200001 - 0007?

Verwertung nach Wahl des AN. Angaben zur Verwertung im Bieterangabenverzeichnis über

Ort =

Art =."

Ausgeschrieben wurde eine Masse der zu entsorgenden Abfälle von 5,0 t.

Neben anderen Unternehmen wurde auch die Klägerin zur Abgabe eines Angebotes aufgefordert. Die Frist hierfür endete am 30.1.2003 um 10.30 Uhr.

Die Klägerin holte für die Arbeiten der Positionen 0.1.200001 - 0008, welche sie nicht selbst auszuführen beabsichtigte, Angebote von in Betracht kommenden Subunternehmern ein. Im Laufe des 29.1.2003 erhielt sie Angebote der L. GmbH und der B. GmbH. Für die Position 0.1.200008 sah das Angebot der L. GmbH einen Einheitspreis von 2.400 EUR pro Tonne zu entsorgenden Abfalls vor, das Angebot der B. GmbH einen Einheitspreis von 62,10 EUR pro Tonne. Im Laufe des 29.1.2003 fertigte ein Mitarbeiter der Klägerin das Angebot, in welchem die Position 0.1.200008 zu einem Preis von 2.413,25 EUR pro Tonne angeboten wurde. Dabei ging sie von dem Angebot der L. GmbH aus, rechnete mit einem mit dieser noch auszuhandelnden Preisnachlass i.H.v. 200 EUR pro Tonne und schlug einen Anteil für Deckungskosten i.H.v. 213,25 EUR pro Tonne auf. Zwischen den Parteien ist streitig, ob dem die Ausschreibung bearbeitenden Mitarbeiter der Klägerin zu diesem Zeitpunkt das Angebot der B. GmbH bekannt war.

Die Beklagte erteilte dem Angebot der Klägerin unter dem 13.3.2003 den Zuschlag auf Basis der VOB/B Ausgabe Dezember 2000.

Die Klägerin vergab den Auftrag nicht an die L. GmbH, sondern an die B. GmbH zu einem Einheitspreis von 62,10 EUR pro Tonne, die die Arbeiten ab Anfang April 2003 auch ausführte.

Es ergab sich, dass die von der Beklagten ausgeschriebene Masse von 5 T...

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