Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftungsquote bei Auffahrunfall nach abruptem Abbremsen
Leitsatz (amtlich)
Wird innerörtlich ein KfZ auf übersichtlicher Straße mit nur mäßigem Verkehrsaufkommen ohne erkennbaren Grund bis zum Stand abrupt abgebremst und fährt ein nachfolgender Motorradfahrer auf, ist der Mitverursachungsanteil des vorausfahrenden Kfz mit 50 % anzusetzen.
Normenkette
StVG § 17; StVO § 4 Abs. 1, § 1; StVG § 7
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen und unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin - das am 12. April 2011 verkündete Teilanerkenntnisurteil und Urteil der Einzelrichterin der 7 Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe teilweise geändert und wie folgt neu gefasst.
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt,
a)
an die Klägerin 2.847,99 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins auf 712,56 € seit dem 31. Juli 2010, auf weitere 1.425,12 € seit dem 10. Dezember 2010 und auf weitere 710,31 € seit dem 16. März 2011 zu zahlen,
b)
die Klägerin von vorgerichtlichen Anwaltskosten in Höhe von 316,80 € freizuhalten.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt 3/4, die Beklagten tragen 1/4 der Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Berufungsstreitwert: (2.183,66+1.898,66=) 4.082,32
Gründe
I.
Die Klägerin nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall vom ...2010 in H in Anspruch.
Der Verkehrsunfall ereignete sich im Bereich des Fußgängerüberweges auf der Bundesstraße ... (...). Die Klägerin fuhr mit ihrem Fahrzeug, einem Nissan Micra gegen ca. 15 Uhr in H. auf der ...Straße in Fahrtrichtung Norden. Hinter ihr fuhren auf ihren Motorrädern die Zeugin S (die Lebensgefährtin des Beklagten zu 1.) links und der Beklagte leicht versetzt rechts hinter der Zeugin.
Etwa 35 Meter vor der Kreuzung zur ...Straße, ungefähr auf Höhe der dort befindlichen Fußgängerampel, kam es zu dem Unfall. Die Zeugin stürzte bei dem Versuch, dem bremsenden Fahrzeug der Klägerin nach links auszuweichen. Das Motorrad des Beklagten, der von seiner Maschine abgesprungen war, rutschte von hinten in den Pkw der Klägerin. Die Unfallendstellung des klägerischen Fahrzeuges befand sich etwa 1-2 Meter hinter dem Fußgängerüberweg am rechten Fahrbahnrand, das Motorrad des Beklagten hatte liegend die hintere Stoßstange des PKW etwa mittig bis leicht rechts getroffen und lag unmittelbar an/unter der Stoßstange.
Wegen der Einzelheiten der Örtlichkeiten und der Unfallendstellung wird auf die polizeiliche Verkehrsunfallanzeige nebst Unfallskizze (Bl. 1 ff der Ermittlungsakte ....) und die Lichtbilder (Bl. 27 f. der Ermittlungsakte) verwiesen. Beide Fahrzeuge wurden bei dem Unfall erheblich beschädigt. Das Fahrzeug der Klägerin erlitt einen wirtschaftlichen Totalschaden.
Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin nach links in die Pinneberger Straße habe abbiegen wollen und dies rechtzeitig durch Einordnung, Fahrtrichtungsanzeiger und Fahrtverlangsamung angezeigt oder ohne erkennbaren Grund plötzlich stark abgebremst habe.
Der - im Berufungsrechtszug unstreitig gewordene - Schaden der Klägerin berechnet sich wie folgt:
1. |
Wiederbeschaffungsaufwand(Wiederbeschaffungswert 4.800 € abzgl. Restwert 800 €) |
4.000,00 |
2. |
An- und Abmeldekosten |
139,36 |
3. |
Nutzungsausfall (4 Tagen zu je 29 €) |
116,00 |
4. |
Sachverständigenkosten |
682,82 |
5. |
Mietwagenkosten |
737,80 |
6. |
Kostenpauschale |
20,00 |
|
insgesamt |
5.695,98 |
Außerdem hat Sie Freihaltung von außergerichtlichen Anwaltskosten (u. a. iHv 546,68 €) beansprucht.
Die Beklagten haben den Zahlungs- und Freihalteanspruch unter Zugrundelegung einer angenommenen Haftungsquote zu ihren Lasten mit 1/3 teilweise (zum Zahlungsanspruch iHv 1.898,66 € sowie zum Befreiungsanspruch iHv 229,55 €) anerkannt.
Das Landgericht hat der auf Zahlung von 5.980,98 € nebst Zinsen gerichteten Klage nach Beweisaufnahme unter Zugrundelegung einer Mithaftungsquote der Klägerin von 1/3 nur in Höhe von 3.797,32 € und dem Freihalteanspruch nur im Umfang von 402,82 € stattgegeben. Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes, insbesondere der tatsächlichen Feststellungen, wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Dagegen richten sich die Berufungen der Klägerin und der Beklagten.
Die Klägerin wendet sich gegen eine zu ihren Lasten berücksichtigte Mithaftung von 1/3.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung der angefochtenen Entscheidung und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten
1.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, weitere € 2.183,66 nebst 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 31.07.2010 an sie zu zahlen,
2.
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, sie von den ihr vorprozessual bei den Rechtsanwälten ... aus N außergerichtlich entstandenen, auf die Kostenfestsetzung nicht anrechenbaren Aufwendungen für die Rechtsverfolgung in Höhe von weiterer € 143,86 nebst 5 Prozent...