Leitsatz (amtlich)

Anspruch eines Insolvenzverwalters gegen ein in Großbritannien niedergelassenes und von der britischen Finanzaufsicht (Financial Conduct Authority) reguliertes E-Geld Finanzunternehmen auf Rückgewähr von Zahlungen zur Insolvenzmasse, welche diese - ohne Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens - auf Anweisung des Schuldners ausgeführt hat

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 12. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 30. Juli 2020, Az. 12 O 76/19, wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter die Beklagte auf Rückgewähr von Zahlungen zur Insolvenzmasse in Anspruch, welche diese im Zeitraum vom 24. November 2016 bis zum 23. November 2018 auf Anweisung des Schuldners ausgeführt hatte.

Bei der Beklagten handelt es sich um ein in Großbritannien niedergelassenes und von der britischen Finanzaufsicht (Financial Conduct Authority) reguliertes E-Geld Finanzunternehmen.

Über das Vermögen des Insolvenzschuldners und selbstständigen A. wurde durch Beschluss des Amtsgerichts X. am 1. Mai 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet. Der Geschäftsbetrieb des Schuldners war zunächst aus diesem Insolvenzverfahren mit öffentlicher Bekanntmachung vom 4. September 2013 freigegeben.

Der Schuldner führte bei der Beklagten seit dem 12. Oktober 2013 ein auf Guthabenbasis geführtes E-Geld-Konto mit zugehöriger Prepaid-Mastercard, auf welchem er Beträge aus seiner freigegebenen Tätigkeit vereinnahmte. Eine Überziehung dieses Kontos war nicht möglich.

Mit Beschluss des Amtsgerichts X. vom 9. November 2016 wurde auch über dieses Sondervermögen das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Die berufliche Tätigkeit des Schuldners wurde durch den Insolvenzverwalter mit der öffentlichen Bekanntmachung vom 6. Dezember 2016 nicht erneut freigegeben (Anlage K 4).

Dem Kläger gegenüber legte der Schuldner sein Konto bei der Beklagten nicht offen; der Beklagten teilte er die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen nicht mit.

Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners und dessen Bekanntmachung im Internet unter www.insolvenzbekanntmachungen.de beendete die Beklagte die Geschäftsbeziehung zu dem Kläger zunächst nicht, weil sie die Insolvenzbekanntmachungen in Deutschland nicht einsah. Der Schuldner vereinnahmte in Folge über das Konto bei der Beklagten Zahlungen in Höhe von 58.110,11 EUR. Bei den Auszahlungen von dem Konto im Zeitraum vom 24. November 2016 bis zum 23. November 2018 handelt es sich in Höhe von 12.883,62 EUR um Überweisungen an Dritte und in Höhe von 41.688,00 EUR um Auszahlungen an den in Deutschland lebenden Schuldner über Geldautomaten.

Nachdem die Beklagte durch eine E-Mail der Polizei in Y. vom 23. November 2018 von der Insolvenz des Schuldners erfahren hatte, beendete sie die Geschäftsbeziehung zu dem Schuldner am 26. November 2018 und zahlte das verbliebene Guthaben auf dem Konto in Höhe von 5.424,20 EUR an den Kläger aus.

Der Kläger hat geltend gemacht, dass die Beklagte zur Erstattung sämtlicher auf dem Konto des Schuldners nach Insolvenzeröffnung vereinnahmter Beträge verpflichtet sei, weil sie öffentliche Werbung damit betreibe, dass sie ohne Auskunft über die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden Onlinekonten auf Guthabenbasis zur Verfügung stelle. Die Beklagte dürfe sich auf eine Unkenntnis der Insolvenz des Schuldners zum Zeitpunkt ihrer Auszahlungen von dem Konto nicht berufen. Denn es sei für die Beklagte einfach gewesen, Insolvenzbekanntmachungen im Internet mit eigenen Kundendaten abzugleichen. Die Beklagte hätte sich Kenntnis von der Eröffnung des Insolvenzverfahrens und der nicht erfolgten Freigabe des Sondervermögens des Schuldners verschaffen müssen. Technisch bestünde die Möglichkeit der programmgesteuerten Überwachung der Kunden. Nach der 4. Geldwäscherichtlinie habe die Beklagte auch die Pflicht gehabt, die Geschäftsbeziehung zu dem Schuldner zu überwachen. Wenn die Beklagte vorsätzlich darauf verzichtet habe, entsprechende Datensysteme zu betreiben, dürfe sie sich nicht darauf berufen, keine Kenntnis von entsprechenden Bekanntmachungen gehabt zu haben.

Der Kläger hat, nachdem er die Zahlung in Höhe von 5.424,20 EUR von der Beklagten erhalten hat, eine teilweise Erledigung der Klage in Höhe von 3.538,49 EUR erklärt und erstinstanzlich zuletzt beantragt:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 54.571,12 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 5. März 20...

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