Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindungswirkung frühzeitiger Pensionierung für Schadensersatzprozess
Leitsatz (amtlich)
1. Der Verwaltungsakt, der zur vorzeitigen Pensionierung eines Beamten führt, ist grundsätzlich der zivilgerichtlichen Nachprüfbarkeit entzogen.
2. Zur Ermittlung und Bemessung des sog. Haushaltsführungsschadens.
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 10.04.2002; Aktenzeichen 7 (2) O 432/00) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten wird das am 10.4.2002 verkündete Urteil des Einzelrichters der 2. Zivilkammer des LG Itzehoe teilweise geändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 61.410,47 Euro nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz auf 290,21 Euro seit dem 1.6.2000 sowie auf jeweils weitere 290,21 Euro ab jedem folgenden Monatsersten bis einschließlich 1.2.2001 sowie auf 1.278,23 Euro seit dem 1.3.2001 und auf jeweils weitere 1.278,23 Euro ab jedem folgenden Monatsersten bis einschließlich 1.1.2005 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin ab Februar 2005 monatlich im voraus bis einschließlich April 2010 1.278,23 Euro zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin ab Mai 2010 monatlich im voraus bis einschließlich April 2015 290,21 Euro zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin ab Mai 2010 jeden weiteren Verdienstausfallschaden zu ersetzen mit der Maßgabe eines gesamten monatlich zu zahlenden Höchstbetrages von 1.278,23 Euro.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen, die weiter gehenden Berufungen der Klägerin und der Beklagten werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin ¼ und die Beklagte ¾, von den Kosten des Berufungsrechtszuges tragen die Klägerin 1/8 und die Beklagte 7/8.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch die jeweils andere Partei gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
Die 1945 geborene Klägerin, die bis zu ihrer vorzeitigen Pensionierung am 1.3.2001 als Grundschullehrerin tätig war, wurde im Februar 1998 Opfer eines Verkehrsunfalls, für dessen Folgen die Beklagte als Haftpflichtversicherer dem Grunde nach voll eintrittspflichtig ist. Sie nimmt die Beklagte auf Ersatz von Verdienstausfall und Haushaltsführungsschaden seit dem 1.3.2001 (Verdienstausfall) bzw. 1.6.2000 (Haushaltsführungsschaden) in Anspruch. Bei dem Unfall hatte die Klägerin eine Sprunggelenksverrenkungsfraktur rechts unter Beteiligung der Gelenkfläche des Schienbeins mit Abbruch des sog. hinteren "Volksmann'schen Dreiecks" erlitten. Unstreitig leidet die Klägerin auch heute noch unter den Folgen der Sprunggelenksverletzung, lediglich der Umfang ihrer Beeinträchtigungen ist streitig. Seit dem Unfall war die Klägerin bis zu ihrer vorzeitigen Pensionierung durchgängig krankgeschrieben, gleichwohl unternahm die Klägerin im Januar 2000 einen Arbeitsversuch in der Hamburgischen Schulbehörde, der aber nach dem zweiten Arbeitstag wegen Beschwerden am verletzten Bein abgebrochen wurde.
In einem Vorprozess (...) haben die Parteien sich am 31.5.2000 dahingehend verglichen, dass an die Klägerin zur Abgeltung aller immateriellen und bis dahin aufgetretener materieller Nachteile aus dem Verkehrsunfall v. 9.2.1998 ein Betrag von 35.000 DM zu zahlen war. Ausgenommen hatten die Parteien lediglich zukünftige materielle Ansprüche, wobei die Beklagte mit Wirkung eines rechtskräftigen Feststellungsurteils anerkannt hat, der Klägerin den zukünftigen materiellen Schaden aus dem Unfall ersetzen zu müssen.
In diesem Vergleich haben die Parteien ausdrücklich offen gelassen, ob die Schadensersatzpflicht auf der Grundlage der Vorschriften über die Gefährdungshaftung nach dem StVG oder aber auf der Grundlage der Haftung aus unerlaubter Handlung nach dem BGB besteht.
Den ihr nach dem 31.5.2000 ihrer Ansicht nach entstandenen materiellen Schaden verfolgt die Klägerin nunmehr. Unstreitig der Höhe nach ist die Differenz zwischen letztem Nettogehalt und der Nettopension mit monatlich 1.207,71 Euro (2.362,08 DM); insoweit war und ist die Beklagte der Auffassung, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Ersatz der Einkommensdifferenz, denn sie sei an sich trotz gewisser unfallbedingter Beeinträchtigungen amtsangemessen weiter verwendbar. Auch als Beamte sei sie verpflichtet, die ihr verbliebene Arbeitskraft - auch wenn sie unfallbedingt nicht als Lehrerin habe weiter tätig sein können - einzusetzen. Das wäre ihr im Rahmen einer überwiegend sitzenden Tätigkeit auch möglich gewesen. Die Pensionierungsentscheidung sei allein darauf zurückzuführen, dass die Klägerin eine solche Tätigkeit verweigert habe. Jedenfalls treffe die Klägerin aber ein weit überwiegendes Mitversch...