Entscheidungsstichwort (Thema)
Abänderung einer Unterhaltsvereinbarung nach Gesetzesreform
Leitsatz (amtlich)
Ein zukünftiger, bei Abschluss einer Unterhaltsvereinbarung nicht ohne weiteres erkennbarer oder voraussehbarer Umstand, der eine Abänderung der Unterhaltsverpflichtung rechtfertigt, kann auch in der Neufassung von § 1570 BGB liegen, die eine wesentlich schärfere Erwerbsobliegenheit der geschiedenen Ehefrau normiert.
Normenkette
BGB §§ 313, 1570; EGZPO § 36 Nr. 1
Verfahrensgang
AG Bad Schwartau (Urteil vom 04.08.2008; Aktenzeichen 9 F 86/08) |
Tenor
Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des AG - FamG - Bad Schwartau vom 4.8.2008 wird zurückgewiesen.
Dem Beklagten werden die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten nachehelichen Unterhalt geltend. Wegen der tatsächlichen Feststellungen und des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des familiengerichtlichen Urteils verwiesen.
Das AG hat den Beklagten zu Unterhaltszahlungen entsprechend der zwischen den Parteien getroffenen Unterhaltsregelung verurteilt. Es hat die Auffassung vertreten, dass eine Abänderung bei unveränderten Verhältnissen nach Inkrafttreten des neuen Rechts nicht möglich sein sollte. Sowohl dem Wortlaut als auch dem Sinn nach dürfe die Klägerin darauf vertrauen, dass eine Abänderung bis zur Erreichung des 10. Lebensjahres des Kindes nicht vorgenommen werde.
Wegen der Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des amtsgerichtlichen Urteils verwiesen.
Der Beklagte macht mit der Berufung geltend, es handele sich hier genau genommen, da die Klägerin auch damals schon erwerbstätig gewesen sei, um eine Mischung aus Kindesbetreuungs- und Aufstockungsunterhaltsanspruch, was nach altem Recht keine Rolle gespielt habe. Als die Parteien ihre außergerichtliche Vereinbarung getroffen hätten, sei der Inhalt des neuen Rechts noch nicht bekannt gewesen; es sei lediglich vorhersehbar gewesen, dass dann alle Unterhaltsansprüche befristet werden könnten. Das Inkrafttreten des neuen Rechts habe sich bekanntlich erheblich verzögert, insbesondere dadurch, dass auch noch die Entscheidung des BVerfG wegen des Betreuungsunterhaltsanspruchs nichtehelicher Mütter dazwischen gekommen sei. Hieraus ergebe sich aber der entscheidende Unterschied ggü. dem bekannten Rechtszustand vorher. Der BGH habe zwar seit dem Urteil vom 12.4.2006 fleißig Aufstockungsunterhaltsansprüche befristet, aber auch nur solche. Kinderbetreuungsansprüche hätten gar nicht befristet werden können. Aufstockungsansprüche nach diesem Stichtag hätten in Unterhaltsvereinbarungen befristet werden müssen; sonst sei man präkludiert. Das beziehe sich aber alles nicht auf Kinderbetreuungsansprüche, sondern nur auf Aufstockungsunterhalt. Das AG habe die Präklusionsregeln jedoch unzutreffend angewendet. Worum es hier gehe, sei nicht die Präklusion "an sich", sondern die Tatsache, dass mit der Abschaffung des Altersphasenmodells Umstände eingetreten seien, über die man sich lange streiten könne, ob sie vorher entstanden und durch das Unterhaltsänderungsgesetz erheblich geworden seien oder ob sie erst überhaupt neu seit dem 1.1.2008 seien. Denn die Abschaffung des alten Altersphasenmodells sei neu und Ergebnis der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung und nicht der früheren BGH-Rechtsprechung, die das Altersphasenmodell gar nicht angetastet habe.
Nach dem alten Unterhaltsrecht habe kein großer Streit darüber bestanden, dass jedenfalls bis zur Beendigung der zweiten Grundschulklasse, im Bereich des OLG Schleswig eher bis zum Abschluss der Grundschule, überhaupt keine Erwerbsobliegenheit bestanden habe und wenn überhaupt (vor allem zwischen dem 8. und 10. Lebensjahr), dann nur im versicherungsfreien Bereich. Eine Halbtagserwerbsobliegenheit habe vor Ende der Grundschule wohl nicht in vollem Umfang bestanden.
Die Entscheidung des BVerfG FamRZ 2007, 965, sei vom Gesetzgeber in Windeseile in den schon vorhandenen Gesetzesentwurf eingearbeitet worden. Wie sie eingearbeitet worden sei, sei bis zur Verabschiedung des Gesetzes überhaupt nicht vorhersehbar gewesen. Der Gesetzesentwurf sei von Bundestag und Bundesrat erst im November 2007 formuliert worden.
Die Auflösung des alten Altersphasenmodells sei daher mit der Verabschiedung des Gesetzes eingetreten und damit nach der Unterhaltsvereinbarung der Parteien. Es sei somit ein neuer Umstand, der nach dem Abschluss der Unterhaltsvereinbarung eingetreten sei, selbst entstanden i.S.v. § 36 Abs. 1 Nr. 1 EGZPO. Deshalb greife die Vorschrift gar nicht, denn sie stelle nur auf Alttatsachen ab, die erst jetzt erheblich würden.
Unabhängig davon seien Unterhaltsvereinbarungen, auch zeitlich befristete, immer abänderbar, wenn sich die Verhältnisse änderten, es sei denn, dass die Abänderung ausdrücklich ausgeschlossen sei. Davon könne in der hier in Rede stehenden Vereinbarung aber nicht die Rede sein. Eine Unterhaltsverpflichtung könne nur dem Grunde nach anerkannt werden, aber niem...