Leitsatz (amtlich)
Wird ein EU-Importwagen auf einem Bestellformular für ein gebrauchtes Kraftfahrzeug ohne Garantie als Neuwagen verkauft, dann beeinträchtigt ein Fahrzeugalter von rund 2 ½ Jahren die Neuwageneigenschaft nicht, wenn das Fahrzeug unbenutzt ist und keine durch die Standzeit bedingten Mängel aufweist und das Modell unverändert weitergebaut worden ist.
Orientierungssatz
Neuwageneigenschaft eines 2 ½ Jahre alten Fahrzeugs
Normenkette
BGB § 459 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Itzehoe (Urteil vom 22.07.1998; Aktenzeichen 2 O 102/98) |
Tenor
Die Berufung des Klägers und die Anschlußberufung der Beklagten gegen das Urteil der Einzelrichterin der 2. Zivilkammer des Landgerichts Itzehoe vom 22.07.1998 werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 95,5 % und die Beklagte zu 4,5 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer beträgt für den Kläger 6.500,00 DM und für die Beklagte 300,00 DM.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Gründe
Die Berufung ist zulässig, aber nicht begründet. Die Anschlußberufung hat ebenfalls keinen Erfolg.
Die von der Beklagten in der Berufungserwiderung erstmals erhobene Einrede der Verjährung greift nicht durch. Das Fahrzeug, ein Fiat Punto, ist am 22.10.1997 zu einem Preis von 17.950,00 DM gekauft und am 31.10.1997 übergeben worden; die Klage ist unter dem 25.03.1998 erhoben worden (eingegangen 27.03.1998; zugestellt 29.04.1998), also innerhalb der 6-monatigen Verjährungsfrist. Die Klage ist „wegen Zahlung bzw. Wandelung” erhoben worden. Auch in der Begründung wird auf Seite 2 sowohl auf die erklärte Wandelung als auch auf die Anfechtung hingewiesen. Gegenstand der Klage waren also auch kaufrechtliche Gewährleistungsansprüche, so daß es unschädlich ist, daß Minderung erst mit Schriftsatz vom 09.06.1998 verlangt worden ist.
In der Sache selbst hat das Landgericht zu Recht zwischen neu und fabrikneu unterschieden. Der Wagen war in der Ausstellungshalle der Beklagten mit dem Schild „EU-Importwagen, Neuwagen” gekennzeichnet. Im Darlehensvertrag ist die Bezeichnung „Neuwagen” angekreuzt. Der in die USA exportierte Wagen war über Spanien reimportiert worden, und zwar ersichtlich am 23.05.1995 von der Fa., wie sich aus dem Fahrzeugbrief ergibt. Nach der vorgelegten Fahrzeugstammabfrage war Garantiebeginn der 24.04.1995. Es kann daher davon ausgegangen werden, daß das Fahrzeug im April 1995 ausgeliefert worden ist. Dann war es bei Vertragsschluß rund 2 ½ Jahre alt.
Auch wenn das Baujahr nicht mehr im Fahrzeugbrief eingetragen wird, sondern nur noch der Tag der Erstzulassung, spielt das Baujahr nach Auffassung des Senats nach wie vor eine nicht unerhebliche Rolle beim Kauf eines Neuwagens (wie auch beim Weiterverkauf als Gebrauchtwagen). Auch wenn das Modell unverändert weitergebaut worden ist, ist die Standzeit doch nach wie vor für die Wertschätzung von Bedeutung (vgl. auch Reinking/Eggert, Der Autokauf, 6. Aufl., Rn 451). Bei einem sogenannten Haldenfahrzeug leiden nicht nur die Lebensdauer von Batterie und Reifen, sondern kann trotz Aufbringung einer konservierenden Schutzschicht auch der Lack Schaden nehmen.
Das Fahrzeug hätte daher nicht mehr als fabrikneu verkauft werden dürfen. Insoweit hat die Rechtsprechung für die Stand- bzw. Lagerzeit eine Grenze von 10 bis 12 Monaten gezogen (vgl. Reinking/Eggert, aaO, Rn 448). Mit der Bezeichnung als Neuwagen hat die Beklagte nicht etwa die Eigenschaft „fabrikneu” zugesichert (wie es der BGH in DB 1980, 1836 angenommen hat; ebenso OLG Karlsruhe DAR 1977, 323). Dagegen sprechen im vorliegenden Fall folgende Umstände:
Die Beklagte war keine Fiat-Vertragshändlerin, sondern Nissan-Händlerin; es handelte sich um einen EU-Import. Es wurde kein Neuwagen-Vertragsformular verwendet, sondern die verbindliche Bestellung eines gebrauchten Kraftfahrzeugs „ohne Garantie”; darin war zusätzlich vermerkt, daß das Fahrzeug keine Werksgarantie hat; statt dessen wurde eine sog. Oilstar-garantie bis 36 Monate gegen Zuzahlung von 350,00 DM gewährt.
Die Beklagte durfte das Fahrzeug aber noch als Neuwagen (aus neuen Materialien hergestellt und unbenutzt; Laufleistung ca. 40 km) verkaufen. Die Fa. hatte das Fahrzeug aus Spanien eingeführt, war aber nicht als Halterin im Brief eingetragen worden. Insoweit ist das Fahrzeug erstmals auf den Kläger zugelassen worden. Mit dem Reimport läßt sich die Neuwageneigenschaft also nicht verneinen.
Natürlich muß sich auch ein Käufer eines reimportierten „Neuwagens” nicht mit jeder beliebigen Lagerdauer abfinden und kein Fahrzeug entgegennehmen, das – gemessen am laufenden Produktionsstand – veraltet ist. Insoweit hat sich in der Rechtsprechung aber keine allgemein anerkannte Grenze gebildet. Nach Auffassung des Senats beeinträchtigt ein Fahrzeugalter von rund 2 ½ Jahren – wie hier – die Neuwageneigenschaft noch nicht, wenn das Modell weiterhin weitgehend unverändert weitergebaut wird und keine wesentlichen durch die Standzeit bedingten Mängel aufweist. Der Kl...