Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Verhältnis von Urteilsergänzung und Berufung
Leitsatz (amtlich)
Hat das angefochtene Urteil der von dem Schuldner erhobenen Einrede der Dürftigkeit des Nachlasses nicht durch Ausspruch eines entsprechenden Vorbehalts Rechnung getragen, so steht die Möglichkeit, die Aufnahme eines solchen Vorbehalts im Wege der Urteilsergänzung zu erreichen, nicht der Zulässigkeit der Berufung entgegen.
Verfahrensgang
LG Flensburg (Urteil vom 09.05.2003; Aktenzeichen 4 O 423/02) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Anerkenntnis-Teil-Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Flensburg vom 9.5.2003 teilweise geändert und wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 4.566,82 Euro nebst 4 % Zinsen seit dem 11.8.1999 zu zahlen.
Der Beklagten wird die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass des am ... verstorbenen Herrn ... vorbehalten.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt; im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Beklagte ist die Erbin des verstorbenen Herrn X. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von 7.693,83 Euro nebst Zinsen in Anspruch und macht hierzu eine Darlehensverbindlichkeit des Erblassers gelten. Nachdem die Beklagte den Klageanspruch i.H.v. 4.566,82 Euro nebst geltend gemachter Zinsen - unter Erhebung der Einrede beschränkter Erbenhaftung - anerkannt hat, ist sie vom LG gem. ihrem Anerkenntnis - allerdings vorbehaltlos - durch (tatbestandsloses und nicht begründetes) Anerkenntnis-Teil-Urteil verurteilt worden. Dagegen wendet sich die Beklagte mit dem Rechtsmittel der Berufung, mit der sie geltend macht, das LG hätte der Dürftigkeitseinrede nach § 1990 BGB (zumindest) durch Aufnahme eines entsprechenden Vorbehalts in den Urteilstenor Rechnung tragen müssen.
Die Beklagte beantragt, das angefochten Teil-Anerkenntnis-Urteil mit der Maßgabe abzuändern, dass der Beklagten als Erbin die Beschränkung ihrer Haftung auf den Nachlass des am ... verstorbenen Herrn ... vorbehalten wird.
Der Kläger beantragt, die Berufung zurückzuweisen, und hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Er steht der Sache nach auf dem Standpunkt, die Berufung sei unzulässig. Die Beklagte hätte ihr Begehren im Wege der Urteilsergänzung nach § 321 ZPO verfolgen müssen. Das angefochtene Urteil sei nicht unrichtig, sondern lediglich unvollständig, weil es das LG aufgrund eines Versehens unterlassen habe, über den Vorbehalt beschränkter Erbenhaftung zu befinden.
Dem tritt die Beklagte entgegen. Von einem Versehen des LG könne keine Rede sein. Es liege eine "bewusste Nichtentscheidung" vor. Solche Fälle erfasse § 321 ZPO nicht.
Wegen der Einzelheiten des Berufungsvorbringens wird auf die in der zweiten Instanz gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.1. Das Rechtsmittel hat Erfolg.
a) Die Berufung ist zulässig.
aa) Insbesondere ist die Beklagte durch das angefochtene Urteil beschwert. Sie hat mit Blick auf die nach § 1990 BGB erhobene Dürftigkeitseinrede nur ein eingeschränktes Anerkenntnis abgegeben. Gleichwohl ist sie vorbehaltlos verurteilt worden. Dass bei dieser Sachlage die Zulässigkeitsvoraussetzung der Beschwer erfüllt ist, bedarf keiner weiteren Begründung.
bb) Das Rechtschutzbedürfnis für das Rechtsmittel der Berufung ist gegeben. Soweit der Kläger argumentiert, das "Unterlassen des LG" eröffne nicht das Rechtsmittel der Berufung, weil das Gesetz für solche Fehler (nur) den Rechtsbehelf der Urteilsergänzung nach § 321 ZPO vorsehe, so vermag sich dem der Senat nicht anzuschließen, wobei ein Versehen des LG unterstellt werden kann. Der BGH (BGH v. 9.3.1983 - IVa ZR 211/81, MDR 1983, 828 = NJW 1983, 2378 [2379]) hat - allerdings ohne Problematisierung der hier in Rede stehenden Frage - auf eine vom Beklagten in den Vorinstanzen erhobene, dort aber nicht beschiedene Dürftigkeitseinrede den Vorbehalt beschränkter Erbenhaftung im Revisionsverfahren ausgesprochen. Für die Frage der Nachholbarkeit im Berufungsrechtszug kann nichts anderes gelten. Die Auffassung des BGH erweist sich auch bei vertiefender Durchdringung der Problematik als überzeugend.
(1) § 321 Abs. 1 ZPO ist unmittelbar schon nicht einschlägig. Nach dieser Vorschrift kommt eine Urteilsergänzung in Betracht, wenn ein Haupt- oder Nebenanspruch oder der Kostenpunkt ganz oder teilweise übergangen worden ist. Vorausgesetzt wird mithin, dass ein aktives Rechtsschutzbegehren in einem Haupt- oder Nebenpunkt nicht beschieden worden ist (BGH v. 5.2.2003 - IV ZR 149/02, MDR 2003, 589 = BGHReport 2003, 449 = NJW 2003, 1463). Darum geht es bei dem von der Beklagten schon im ersten Rechtszug im Wege der Einrede geltend gemachten Vorbehalt beschränkter Erbenhaftung indessen nicht.
(2) Allerdings lässt das Gesetz eine Urteilsergänzung auch in bestimmten Sonderfällen zu, in denen es nicht um das Übergehen prozessualer Ansprüche geht. So ist § 321 ZPO kraft Verweisung anwendbar bei übergangenem Vorbehalt für einen noch nic...